Ptolemaios I. Soter
Christian A. Caroli:
Ptolemaios I. Soter – Herrscher zweier Kulturen
Konstanz 2007 (badawi - artes afro arabica)
Umfang: XIV + 414 Seiten • Format: 24 x 17 cm • ISBN 13: 978-3-938828-05-2
Preis (bis 10/2015): EUR 59,99 (inkl. 7% MwSt.) • Preis (ab 11/2015 bis 12/2022): EUR 29,95 (inkl. 7% MwSt.) • Preis (ab 01/2023): EUR 19,95 (inkl. 7% MwSt.)
D) Die Verwaltung Ägyptens
VI.) Die alte Hauptstadt: Die Ptolemaier und Memphis
Nahezu die gesamte altägyptische Geschichte hindurch nahm Memphis, eine der ältesten städtischen Siedlungen der Welt, unter allen Ortschaften Ägyptens eine besondere Rolle ein. Schon seit der 1. Dynastie wurde es als Königsstadt benutzt, wie es auch über eine Nekropole verfügt, auf der die meisten Königsnamen dieser Dynastie wie v.a. Horus Aha gefunden werden können. In der 3. Dynastie stieg Memphis spätestens unter Djoser endgültig zur regelrechten Hauptstadt Ägyptens und zum zentralen Sitz der Landesverwaltung auf. In Phasen, in denen das Reich in Einheit von einer anderen Stadt aus wie z.B. Theben im Neuen Reich regiert wurde, behielt die alte Metropole immer den faktischen Status einer „zweiten Hauptstadt“ von außerordentlicher religiöser Bedeutung und blieb immer ein wichtiges Verwaltungszentrum für Unterägypten. In der Spätzeit wurde Memphis auch wieder gelegentlich zur regulären Residenz.300 So wurde auch der traditionelle griechische Name für das gesamte Land Αἴγυπτος mutmaßlich von einer der ägyptischen Bezeichnungen für Memphis, nämlich Hekaptah, „Palast des Ptah“, abgeleitet.301 Auch galt für die Griechen diese altehrwürdige Stadt als die Metropole der ägyptischen Weisheit. In diesem Sinne wußten Legenden zu berichten, daß dort Eudoxos, Demokrit (s.a. Synk. p. 471,11-20 Dindorf) und Platon, Solon, Thales und Pythagoras unterrichtet worden seien (Plut. mor. 354. mor. 354d-f) oder gar, daß die homerischen Epen in Wahrheit von einer memphitischen Frau verfaßt und dann im Tempel des Ptah von Memphis gelagert worden seien, während Homer schließlich Abschriften von dort erhalten habe.302
Trotz der Verlegung der Residenz nach Alexandreia blieb Memphis auch unter den Ptolemaiern immer die kultische Hauptstadt und die zweitgrößte und zweitwichtigste Stadt Ägyptens303 und damit die bedeutendste der ägyptischen Siedlungen (Steph. Byz. s.v. Μέμφις). So residierten die ptolemaiischen Könige auch immer wieder zeitweise in Memphis und besuchten die Stadt des öfteren, um damit auch die Übernahme der Funktion als Pharao zu demonstrieren.304 Memphis besaß allerdings nicht den Status einer Polis, sondern war wie alle anderen ägyptischen Ortschaften direkt in die allgemeine ptolemaiische Verwaltungsstruktur Ägyptens integriert.305 Sie wurde außerdem schon unter Alexander dem Großen mit Besatzungstruppen versehen (s. in A) II.) b) Alexander der Große in Ägypten), die zum Schutz der Stadt und ihrer Bevölkerung, aber auch für die zur Stadt zugehörigen Landstriche mit ihren Bewässerungsanlagen zuständig waren, während es keine Bürgerwehr gab, sondern schon unter den Saiten Berufssoldaten hierfür zuständig waren.306 Hierbei muß sich allerdings auch die Frage stellen, ob es im Sinne der einheimischen Bevölkerung, v.a. aber der ägyptischen Priesterschaften, gewesen wäre, wenn Memphis aus Ägypten ausgegliedert und zu einer eigenen Einheit erhoben worden wäre, v.a. wenn die ägyptische Metropole von zentraler Bedeutung für die ägyptische Religion zu einer griechischen Polis umgeformt worden wäre.
Die Quellenlage über diese Stadt unter den Ptolemaiern erweist sich als äußerst fragmentarisch, so daß eine Rekonstruktion der Geschichte und der inneren Verhältnisse in dieser Epoche nur in Ansätzen möglich ist.307 Memphis war auf einem etwas höher gelegenen Plateau errichtet und über die Jahrtausende hinweg mit Schutzdeichen versehen worden, so daß die Stadt während der Nilflut vor dem Hochwasser geschützt war. Innerhalb bestand die Stadt aus mehreren Vierteln, in denen z.T. Leute verschiedener Nationen wohnten und die zu einem großen Teil durch eigene Mauern voneinander getrennt waren.308 Dabei waren die Vertreter der verschiedenen Ethnien bzw. ihre Vorfahren durch die Jahrhunderte hindurch als Mitglieder erobernder Heere, Söldner wie z.B. Ionier und Karer (s. PSI 531,6-8), Kaufleute wie v.a. Phoinikier (s. Hdt. 2,112), Kriegsgefangene und Flüchtlinge aus ihrer ursprünglichen Heimat nach Memphis gelangt. Zu Beginn der makedonischen Fremdherrschaft, als Memphis noch die offizielle Hauptresidenz war, dürften sich in der Stadt auch viele Makedonen im Gefolge des Königs aufgehalten haben, von denen einige noch später dort geblieben sein könnten.309
Memphis verfügte über eine Akropolis und eigene Palastanlagen, deren Überreste z.T. auf die Zeit des Apries (6. Jh.) datiert werden können und eigene Gartenanlagen besaßen.310 Überhaupt bildeten Gärten v.a. mit Nutzbäumen wie Datteln, Oliven und anderen Früchten einen wesentlichen Bestandteil von ägyptischen Ortschaften auch größeren Ausmaßes.311 Wie jede Stadt am Nil verfügte Memphis über einen Nilhafen, über den der hauptsächliche Handelsverkehr und der größte Teil der Kommunikation nach außen hin verlief (s. Hdt. 3,13,1-2). Dabei spielte dieser Ort durch seine Lage zwischen Niltal und Delta, zwischen Ober- und Unterägypten, eine bedeutende Rolle im Binnenhandel, aber auch im Transport von Waren aus Oberägypten nach Alexandreia. Zugleich verlief hier auch die Route vom Fayum nach Norden. So war der Hafen zumindest in späteren Zeiten mit Handelszöllen belegt und zugleich eine Zollstation für den Warentransport zwischen Ober- und Unterägypten.312 Auch war hier dementsprechend u.U. eine Industrie zur Produktion von Booten beheimatet (s. P. Petr. II,20,4,4 = III,30 (b4)).313
Wie jede antike Stadt war Memphis wohl auf die Zufuhr von auswärtig produzierten Lebensmitteln wie v.a. Getreide angewiesen. Vor allem die Herbeischaffung von größeren Mengen Öl wird überliefert und war in der Gesetzgebung geregelt (P. Rev. 69,1-6).314 Die Stadt selber diente als ein Produktionszentrum für Textilien.315 Außerdem existieren auch Anzeichen dafür, daß in Memphis etliche metallverarbeitende Betriebe ansässig waren. Hierzu gehörte v.a. der Bereich der Waffenherstellung (s. P. Lond. 2057,2-6 & 2065,6 & PSI 428,35-36 & 61), wobei dieser Ort schon in vorptolemaiischer Zeit ein Zentrum für diesen Bereich gewesen war. Zugleich konnten im Bereich von Memphis Massen von Bronzefigürchen von Göttern und heiligen Objekten aus vorptolemaiischer und ptolemaiischer Zeit gefunden werden, die u.a. wohl auch für Pilger gedacht waren. Hinzu kommt noch die Produktion von weiteren Objekten aus Fayence, Glas, Terrakotta, Stein und Holz.316
Anmerkungen:
300 Zivie (1982), pp. 27-30; s.a. Kees (1931), pp. 660-663 passim; Thompson (1988), pp. 3-4.
301 Thompson (1988), p. 3.
302 Eustath. in Odyss. prooem. (p. 1379): φασὶ γὰρ Ναυκράτην τινὰ ἱστορῆσαι, ὡς ἄρα Φαντασία γυνὴ Μεμφῆτις, σοφίας ὑποφῆτις, Νικάρχου θυγάτηρ, συντάξασα τόν τε ἐν Ἰλιάδι πόλεμον καὶ τὴν Ὀδυσσέως πλάνην, ἀπέδετο τὰς βίβλους εἰς τὸ κατὰ Μέμφιν τοῦ Ἡφαίστου ἄδυτον. ἔνθα τὸν ποιητὴν ἐλθόντα, λαβεῖν παρά τινος τῶν ἱερογραμματέων ἀντίγραφα, κἀκεῖθεν συντάξαι τὴν Ἰλιάδα καὶ τὴν Ὀδύσσειαν.; s.a. Kees (1931), p. 678; Rusch (1941), p. 944; Thompson (1988), p. 4.
303 Strab. 17,1,32 (p. 807): πόλις δ’ ἐστὶ μεγάλη τε καὶ εὔανδρος, δευτέρα μετὰ Ἀλεξάνδρειαν, μιγάδων ἀνδρῶν, καθάπερ καὶ τῶν ἐκεῖ συνῳκισμένων.
304 Briant (1998)b, p. 59; s.a. Kees (1931), p. 665; Helck (1979)e, p. 1193; Zivie (1982), p. 31; Ellis (1994)c, pp. 29-30.
305 Thompson (1988), p. 97.
306 Thompson (1988), p. 7.
307 Thompson (1988), p. 5.
308 Thompson (1988), pp. 7 & 13; s.a. Świderek (1961), pp. 57-58; Bevan (1968), p. 108; Bagnall / Rathbone (2004), p. 98.
309 Thompson (1988), pp. 82-84 & 88-93.
310 P. Cair. Zen. 59156,2-3: ἐγ Μέμφεως, ἔκ τε τοῦ ἡμετέρου κήπου | [καὶ ἐ]κ τῆς ἄκρας (256); s.a. Thompson (1988), pp. 16-17; Bevan (1968), p. 108.
311 Thompson (1988), p. 8.
312 P. Tebt. 701,201-202 & P. Hib. 110,24 (um 270) & 194,126 & P. Cair. Zen. 59553 (256) & 59823,2 (253) & P. Corn. 3,6-10 & P. Petr. III,76 verso 2,12.
313 Thompson (1988), pp. 18 & 59 & 61-62 & 71-72.
314 Thompson (1988), pp. 41-43.
315 P. Cair. Zen. 59142; s.a. PSI 349,4-5 & 566,6-7 & P. Cair. Zen. 59776,6-7 & P. Ryl. 556,10.
316 Thompson (1988), pp. 46-55 passim & 65-70.