Ptolemaios I. Soter
Christian A. Caroli:
Ptolemaios I. Soter – Herrscher zweier Kulturen
Konstanz 2007 (badawi - artes afro arabica)
Umfang: XIV + 414 Seiten • Format: 24 x 17 cm • ISBN 13: 978-3-938828-05-2
Preis (bis 10/2015): EUR 59,99 (inkl. 7% MwSt.) • Preis (ab 11/2015 bis 12/2022): EUR 29,95 (inkl. 7% MwSt.) • Preis (ab 01/2023): EUR 19,95 (inkl. 7% MwSt.)
F) Ptolemaios I. und der Sarapis-Kult
III.) Andere Kulte auf ägyptischer Basis
Die ägyptischen Gottheiten außerhalb des Kreises des Sarapis, dem vornehmlich Isis, Harpokrates und Anubis angehörten, fanden im Rahmen der griechischen Götterverehrung kaum Zuspruch und erfuhren auch keine griechische Ausprägung.355 Isis war schon in der vorhellenistischen griechischen Welt nicht unbekannt gewesen. So kann z.B. im Peiraios schon vor 333 ein von Ägyptern, wahrscheinlich Händlern, gestifteter Isis-Tempel belegt werden.356 Auch kann in einer attischen Inschrift von etwa 325 ein gewisser Διόδωρος Ἰσιγένους Ῥαμνούσιος (IG II/III2,1927,148-150) ausgemacht werden, so daß der darin erwähnte Isigenes, dessen Name von der Isis abgeleitet zu sein scheint, im frühen 4. Jh. oder vielleicht sogar etwas früher geboren worden sein dürfte.357 Alexander der Große stiftete in Alexandreia einen Isis-Tempel, oder setzte zumindest seinen Platz bei der Gründung der Stadt fest.358 Die Gottheit ließ sich auch leicht in den griechischen Kulturkreis integrieren, da sie das Sinnbild alles Weiblichen wie z.B. der Fruchtbarkeit darstellte, so daß sie mit Athene, Hera, Artemis, Demeter, Aphrodite, Persephone und Hekate identifiziert wurde (Apul. met. 11,5) und auch niemals einer besonderen Hellenisierung bedurfte.359 In der frühen ptolemaiischen Zeit übernahm Isis unter den Griechen Ägyptens v.a. die Funktion der Gattin des Sarapis und erfuhr als solche ihre hauptsächlichen kultischen Ehren.360
Unter Alexander dem Großen spielte unter den Göttern ägyptischen Hintergrunds v.a. der Zeus-Ammon von Siwa eine herausragende Rolle. Dessen Orakel besaß in der damaligen Welt größtes Ansehen (s. Plat. leg. 738c & Hdt. 1,46,3 & Paus. 9,16,1 & Aristoph. av. 618-620), während der Gott selber Kultstätten in Griechenland (Paus. 9,16,1) und Makedonien (Paus. 10,13,5) besaß und eine athenische Triere nach ihm benannt war (Aristot. Ath. pol. 61,7).361 Daher eignete sich dieser Gott sehr gut für Alexanders Königsideologie. Zwar mochte es sich in der ägyptischen Theologie bei Zeus-Ammon um eine Verschmelzung von zwei Gottheiten handeln, von denen beide noch in selbständigen Formen weiterbestanden, doch von griechischer Seite wurde dies im Sinne einer interpretatio (s. z.B. Hdt. 2,42,2) aufgefaßt, so daß die Anerkennung der Abstammung von Zeus-Ammon durch dessen Orakel in Siwa es Alexander ermöglichte, sich im griechischen Kontext als Sohn des Zeus anzusehen (s. Plut. Alex. 33,1), da es sich bei Ammon um niemand anderes als Zeus handle. Demgemäß wurde dieser Orakelspruch zu einem Instrument der Durchsetzung von Alexanders Königsideologie über die ägyptischen Grenzen hinaus. Aus diesem Grunde dürfte er wohl nicht das innerhalb Ägyptens bedeutsame Amun-Orakel in Theben, sondern speziell das in der Oikumene berühmte in Siwa ausgewählt haben, von dem außerdem die Legende berichtete, daß auch seine argeadischen Ahnen Herakles und Perseus es einstmals befragt hätten (Strab. 17,1,43 (p. 814)) = FGrH 124 (Kallisthenes von Olynth) F14a & Arr. anab. 3,3,1-2).362 Dennoch besaß der Anspruch des Königs auf seine direkte Abstammung von Zeus für seine makedonischen Gefolgsleute und Soldaten immer einen ägyptischen Charakter, da dieser Anspruch ursprünglich in Siwa bestätigt worden war und sehr gut mit den traditionellen pharaonischen Vorstellungen und den griechischen über das ägyptische Königtum in Verbindung gebracht werden konnte. So wurde er von seinen Gefährten für die Erhebung zum Sohn des Ammon kritisiert,363 während ihn die Soldaten bei Opis aufforderten, seinen Krieg allein zusammen mit Ammon zu führen.364 Nach dem Zerfall des Reiches bestand kein besonderes Interesse mehr für einen Gott, der auch in Makedonien und Griechenland beheimatet war und dessen zentrales Heiligtum sich außerhalb des Herrschaftsbereiches befand und zudem für das Niltal äußerst abgelegen lag (s. in B) III.) Die Außenbesitzungen). Demgemäß verschwand Zeus-Ammon, abgesehen von der über Alexander resultierenden Nähe der Ptolemaier zur Göttlichkeit, relativ schnell aus dem Zentrum des Interesses der neuen Herren Ägyptens,365 wie es auch für einen Zeus-Kult vor dem 2. Jh. in Ägypten, abgesehen von der Mitführung in der von Kallixeinos beschriebenen Pompe (Athen. 5,202a = FGrH 627 (Kallixeinos von Rhodos) F2,34), in der Zeus unter den verehrten Göttern angeführt wird, kaum Belege gibt.366 Dennoch veranlaßte Ptolemaios I. die Errichtung eines Altars im Ammon-Heiligtum zu Siwa (Paus. 9,16,1).367
Abschließend soll noch darauf hingewiesen werden, daß Gottheiten, die weder ägyptischen noch griechischen Ursprungs bzw. in der griechischen Welt verbreitet und allgemein anerkannt waren (wie z.B. Kybele), v.a. im frühptolemaiischen Ägypten kaum eine größere Rolle spielten. Sie wurden auch anscheinend niemals von königlicher bzw. offizieller Seite wie den traditionellen Priesterschaften gefördert. Deswegen waren ihre traditionellen Anhänger ihre einzigen Träger, die, abgesehen vielleicht vom Judentum in späterer Zeit, wiederum keine größere Rolle in Politik und Gesellschaft spielten.368
Anmerkungen:
355 Fraser (1972), Bd. I, p. 287.
356 IG II/III2,337,42-45: καθ|άπερ καὶ οἱ Αἰγύπτιοι τὸ | τῆς Ἴσιδος ἱερὸν ἵδρυντ|αι = SIG3 280,42-45; s.a. Hölbl (1994), p. 78; Vidmann (1970), p. 11; Fraser (1972), Bd. I, p. 260; Green (1990), p. 410.
357 Vidmann (1970), p. 10.
358 Arr. anab. 3,1,5; s.a. Fraser (1972), Bd. I, pp. 193 & 260.
359 Ellis (1994)c, p. 33; s.a. Hölbl (1986), pp. 931-933.
360 Fraser (1972), Bd. I, p. 261; s.a. in F) II.) b) 2.) Osiris.
361 Hölbl (1994), p. 91; s.a. Hogarth (1915), pp. 57-58; Briant (1998)b, p. 54; Schmidt (2005)a, pp. 187-190 passim.
362 Hölbl (1994), pp. 91-92; s.a. Bevan (1968), pp. 8-9; Bosworth (1994)a, p. 810; s.a. Nilsson (1955/61), Bd. II, p. 147.
363 Plut. Alex. 50,6: „...καὶ τῷ Μακεδόνων αἵματι καὶ τοῖς τραύμασι τούτοις ἐγένου τηλικοῦτος ὥστε Ἄμμωνι σαυτὸν εἰποιεῖν ἀπειπάμενος Φίλιππον.“
364 Hölbl (1994), p. 82; s.a. Mahaffy (1895), p. 13; Bosworth (1994)a, pp. 841; Bosworth (1994)b, p. 872.
365 Hölbl (1994), p. 92.
366 Fraser (1972), Bd. I, pp. 194-195.
367 Huß (2001), p. 248.
368 Fraser (1972), Bd. I, pp. 276-277.