Dr. Christian A. Caroli – د. كْرِسْتْيَان أ. كَارُلِي

Ptolemaios I. Soter

Caroli: Ptolemaios I. Soter (Coverbild)

Christian A. Caroli:

Ptolemaios I. Soter – Herrscher zweier Kulturen
 

Konstanz 2007 (badawi - artes afro arabica)
 

Umfang: XIV + 414 Seiten • Format: 24 x 17 cm • ISBN 13: 978-3-938828-05-2

Preis (bis 10/2015): EUR 59,99 (inkl. 7% MwSt.) • Preis (ab 11/2015 bis 12/2022): EUR 29,95 (inkl. 7% MwSt.) • Preis (ab 01/2023): EUR 19,95 (inkl. 7% MwSt.)

 

 

B) Rahmenhandlung und Außenpolitik einschließlich der Verwaltung der Provinzen

I.) Die Überlieferungslage

Die Epoche der Diadochen hat den grundlegenden historiographischen Nachteil, daß aus ihr, abgesehen von Fragmenten, kein einziges Werk eines zeitgenössischen Schriftstellers erhalten blieb. Denn etliche Zeitgenossen hatten zwar diesen Bereich entweder durch Universalgeschichten oder durch Werke, die sich auf einen bestimmten Bereich wie einen König, eine Persönlichkeit oder eine Region beschränkten, behandelt. Jedoch gingen diese alle mit der Zeit verloren, v.a. da sie wegen ihrer vornehmlichen Benutzung der Koine von späteren Gelehrten nicht als vorbildlich angesehen wurden oder auch wegen ihrer regionalen Beschränktheit mit einer bestimmten Polis als Fokuspunkt niemals eine besondere Verbreitung erfuhren und ihre wenigen Kopien relativ schnell auch wieder verschwanden. Außerdem wurden sie auch des öfteren wegen ihrer Länge und Ausführlichkeit in allen Details allmählich durch Zusammenfassungen und Inhaltslisten ersetzt.1 Hinzu kam noch, daß sich viele Historiker sowohl damals als auch in den folgenden Zeiten durch den Glanz der Taten Alexanders des Großen angezogen fühlten und sich mehrheitlich unter Vernachlässigung der Geschichte des Zeitalters der Diadochen mit dieser Persönlichkeit beschäftigten.2 In der Spätantike und in der byzantinischen Zeit stand schließlich diese Epoche als solche außerhalb des Interesses der Historiker und Kopisten, indem für die Griechen die Zeit des Hellenismus eine Epoche der Fremdherrschaften darstellte und die Byzantiner, die sich als Christen und Ῥωμαῖοι sahen und den Namen der Ἕλληνες als Synonym für Heiden benutzten, sich vornehmlich mit der römischen und jüdischen Geschichte dieses Zeitalters beschäftigten.3 Von den Ägyptern selber, aber auch von den meisten anderen Volksgruppen, die im Zeitalter der Diadochen unter der makedonischen Fremdherrschaft standen, werden keine Geschichtswerke über diese Epoche auch nur erwähnt, während die jüdische Geschichtsschreibung in der uns erhaltenen Form, nämlich in den Altertümern des Josephus, für den Zeitraum von dem Eindringen des Ptolemaios I. bis zur Schlacht bei Panion um 200 gerade einmal drei Kapitel erübrigt (Ios. ant. 12,1-153 (= cap. 1-3)), von denen das bei weitem längste (Ios. ant. 12,11-118 (= cap. 2)) die „Septuaginta-Geschichte“ behandelt. Insgesamt ergibt sich für das Zeitalter der Diadochen die Lage, daß für den Zeitraum ab etwa 300 kein zuverlässiger geschlossener Bericht mehr erhalten ist, sondern im großen und ganzen hauptsächlich noch die stark gestraffte Darstellung des Iustinus.4

Unter den Autoren aus der Epoche des Hellenismus ist zunächst Duris von Samos (ca. 340 bis ca. 260; FGrH 76), ein Schüler des Theophrast, der eine makedonische Geschichte schrieb, die von 370/69 bis wahrscheinlich 281/80, dem Todesjahr des Seleukos I. Nikator bzw. des Lysimachos und dem Jahr seiner eigenen Absetzung als Tyrann von Samos durch Ptolemaios II. Philadelphos, reichte. Sie war antimakedonisch ausgerichtet und wurde v.a. von Diodor und Plutarch verwendet. Um diese Zeit herum verfaßte auch Hieronymos von Kardia (gest. ca. 250; FGrH 154), der nacheinander unter Alexander dem Großen, Eumenes, Antigonos Monophthalmos, Demetrios Poliorketes und Antigonos Gonatas gedient hatte, sein Werk. Aufgrund seiner Lebensgeschichte zeichneten sich seine vom Tode Alexanders 323 bis u.U. zum Tode des Pyrrhos 272 reichenden Historien durch eine fundierte Kenntnis und das Wissen um etliche Details v.a. auf der von seinen Herrschern vertretenen Seite, aber auch durch eine historische Beurteilungsgabe aus. Er wurde vornehmlich von Diodor, Plutarch, Cornelius Nepos und Pompeius Trogus bzw. Iustinus in ihren eigenen Werken verwertet. Die historische Abfolge dieser beiden Geschichtswerke ist dabei nicht eindeutig.5 Demochares von Athen (FGrH 75) schrieb Historien von einem Umfang von mindestens 21 Büchern, deren erhaltene Fragmente sich über die Zeit zwischen dem Tod des Demosthenes und dem des Agathokles von Syrakus erstreckten, während im übrigen keine Aussagen über den chronologischen Umfang getroffen werden können. Er selber nahm an der athenischen Politik teil und hielt sich zweimal als ein Gesandter der Polis am Hofe des Lysimachos und einmal an dem des Antigonos Monophthalmos auf.6 In einem Werk des Dionysodoros von Alexandreia (?) wurden der Überlieferung nach Briefe des Ptolemaios I. ediert und kommentiert, wobei dieses Werk bis auf einen einzigen pauschalen Kommentar (Lukian. pro laps. 10) völlig verlorenging.7 Der um 116 als Prinzenerzieher am ptolemaiischen Hof wirkende Agatharchides von Knidos (FGrH 86) schilderte in einem Werk Über Asien in zehn Büchern die Geschichte der Diadochen, in einem Über Europa in 49 Büchern die Ereignisse in Griechenland bis u.U. zum Fall der makedonischen Monarchie 168 und in einem Über das Rote Meer ptolemaiische Elephantenjagden, an den Grenzen gelegene Goldminen und ähnliche Themen. Seine Werke gingen jedoch nicht in die spätere Überlieferungstradition ein.8

Die erste direkt erhaltene und zugleich auch wichtigste Quelle für diesen Zeitraum stellt das ursprünglich aus 40 Büchern bestehende Geschichtswerk Diodors dar, der zur Zeit Caesars und des Augustus wirkte. Allerdings wurde das letzte Manuskript, das die zweite Hälfte des Werkes (Bücher 21-40) noch vollständig enthielt, angeblich bei der türkischen Eroberung von Konstantinopel 1453 n. Chr. vernichtet, so daß die fortlaufende Erzählung am Ende des 20. Buches kurz vor 300 mit dem Zug des Ptolemaios I. nach Koilesyrien abbricht.9 In seinen Schilderungen hielt sich Diodor abgesehen von wenigen v.a. moralisierenden Bemerkungen mutmaßlich im großen und ganzen an seine Vorlagen, wobei er meist länger bei einer einzigen Quelle bleibt und gelegentlich gegenläufige Meinungen anderer anführt, so daß sein Quellenwert hauptsächlich dem seiner Vorlage entspricht. Hierbei wird seine Perspektive durch die seiner jeweiligen Vorlagen beeinflußt, indem z.B. der Schwerpunkt der Darstellung bei Eumenes, Antigonos Monophthalmos und Kassandros liegt und aus deren Sicht der Dinge die Ereignisse dargestellt werden.10 Durch das Zusammenkürzen seiner Vorlagen und bei deren Aneinanderreihen werden im Werk Diodors die Zeitrelation und die Zeitabstände bisweilen sehr unscharf. Hier war aber der Autor wohl selber mit dem Problem konfrontiert, daß in seinen Vorlagen auf unterschiedliche Weise datiert worden war und er diese verschiedenen Datierungssysteme miteinander in Relation setzen mußte, wobei allerdings seine grundsätzliche Umwandlung der Daten in die Jahresangaben der athenischen Archonten bzw. der römischen Konsuln eine weitere Fehlerquelle darstellt.11 Im 1. Jh. v. Chr. verfaßte außerdem Pompeius Trogus auf Basis des Hieronymos von Kardia seine Historiae Philippicae in 44 Büchern, die jedoch lediglich mittels Iustinus in Form einer in extremem Maße kürzenden Epitome erhalten sind, welche sich durch eine nicht allzu hohe Zuverlässigkeit auszeichnet, aber über weite Zeiträume den einzigen zusammenhängenden Bericht darstellt. Plutarch (ca. 50 n. Chr. bis ca. 120), ein Philosoph aus Chaironeia, liefert in seinen Biographien über Phokion, Eumenes, Demetrios Poliorketes und Pyrrhos auch historisches Material über die Diadochen und auch einen wesentlichen Beitrag zum modernen Bild ihrer Charakteristik. Allerdings sah er sich als Moralist und Philosoph und nicht als Historiker im eigentlichen Sinne und dürfte die Charakteristiken der dargestellten Personen wohl zu einem gewissen Teil auch selber geschaffen haben. Denn sein primäres Ziel war die Darstellung von Charakteren in ihren verschiedenen Typen, wobei er jeweils einen griechischen und einen römischen Vertreter des jeweiligen Typus einander gegenüberstellte, so daß es auch zu gewissen Anpassungen der miteinander verglichenen Personen aneinander gekommen sein dürfte.12 Im Bereich der Biographien war schon im 1. Jh. v. Chr. Cornelius Nepos in seinem De excellentibus ducibus exterarum gentium tätig geworden, der jeweils eine kurze über Phokion und Eumenes niedergeschrieben hatte.13 Der Bithynier L. Flavius Arrianus (ca. 89 n. Chr. bis nach 146) verfaßte neben seiner Anabasis und Indike mit den Τὰ μετὰ Ἀλέξανδρον ein Werk von ursprünglich zehn Büchern über die ersten Jahre der Diadochenzeit (323-319) auf Basis des Hieronymos, das jedoch nur noch fragmentarisch, v.a. über Photios, überliefert ist, aber in diesen Fragmenten als relativ zuverlässig gilt. Schließlich benutzte noch Q. Curtius Rufus für seine Geschichte neben Hieronymos eine alternative Quelle, während noch etliche weitere Autoren und Werke wie Appian und Pausanias sporadisch zusätzliche Informationen liefern.14

Daneben gibt es noch Inschriften, Papyri, Scherben, Münzen und andere materielle Überreste. Diese liefern jedoch, abgesehen von anderen heuristischen Problemen wie der genauen Datierung und auch der Rekonstruktion verlorener Teile, niemals einen zusammenhängenden Bericht, sondern erwähnen immer nur Einzelheiten und Details, die wiederum erst in einen größeren Kontext eingefügt werden müssen.15 Das wichtigste und bekannteste Dokument dieser Art aus der Regierungszeit des Ptolemaios I. ist die sogenannte Satrapenstele aus dem Jahre 311. Allerdings bleiben auch bei ihr etliche Fragen offen wie z.B. auch die, ob die auf ihr angeführten Ereignisse in ihrer chronologischen Reihenfolge angeführt sind.16 Hinzu kommen noch diverse Chroniken. Auf griechischer Seite wäre das Marmor Parium zu nennen, das auf Basis der athenischen Archonten datiert, den Zeitraum der Jahre 323/22 bis 302/01 behandelt und 264/63 geschrieben wurde, jedoch teilweise beschädigt ist und aufgrund der verschiedenen damals benutzten Datierungssysteme auch chronologische Fehler aufweist. Eine babylonisch verfaßte Chronik der Diadochen mit einer nach Jahren geordneten Beschreibung der Ereignisse vom vierten Jahr Philipps III. (320/19) bis zum achten Jahr Alexanders IV. (309/08) blieb auf babylonischer Seite erhalten. Jedoch gelten für sie im großen und ganzen auch ähnliche Vorbehalte wie gegen das vorgenannte Werk, wie sie sich auch auf die Ereignisse in Babylonien konzentriert, während die Beschreibungen von Ereignissen im Westen sich durch einen äußerst kryptischen Charakter auszeichnen und deswegen nur sehr schwer interpretiert werden können.17

 

 

Anmerkungen:

1 Walbank (1984)a, p. 1; s.a. Barber (1928), p. 255; Seibert (1983), p. 1; Burstein (2003), p. 227.

2 Seibert (1983), p. 1.

3 Burstein (2003), p. 222.

4 Walbank (1984)a, pp. 1-2.

5 Seibert (1983), pp. 2-7 & 9-14; s.a. Seibert (1969), pp. 53-58; Walbank (1984)a, pp. 2-3; Grant (1990), pp. 184-185.

6 Seibert (1969), pp. 59-60.

7 Fraser (1972), Bd. I, p. 469.

8 Walbank (1984)a, pp. 5-6; s.a. Fraser (1972), Bd. I, pp. 516-517.

9 Walbank (1984)a, p. 6; s.a. Huß (2001), p. 198 n. 67; Bosworth (2002), p. 21; Burstein (2003), pp. 222-223.

10 Walbank (1984)a, p. 6; s.a. Préaux (1978)b, Bd. I, pp. 79-80; Seibert (1983), pp. 27-28.

11 Anson (1986), pp. 208-211; s.a. Seibert (1983), p. 76; Walbank (1984)a, p. 6; Gehrke (2003), p. 159.

12 Walbank (1984)a, pp. 6-7; s.a. Seibert (1983), pp. 1 & 38-41 & 51-53; Bosworth (2002), pp. 23-24.

13 Seibert (1983), p. 36.

14 Walbank (1984)a, pp. 8-9.

15 Walbank (1984)a, p. 10; s.a. Bengtson (1987), pp. 13-14; Bosworth (2002), pp. 19-20.

16 Winnicki (1991), pp. 164-168; s.a. Bianchi (1984), p. 492; Goedicke (1985), pp. 33-54; Bosworth (2002), p. 20.

17 Bosworth (2002), pp. 20-21.

 

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