Ptolemaios I. Soter
Christian A. Caroli:
Ptolemaios I. Soter – Herrscher zweier Kulturen
Konstanz 2007 (badawi - artes afro arabica)
Umfang: XIV + 414 Seiten • Format: 24 x 17 cm • ISBN 13: 978-3-938828-05-2
Preis (bis 10/2015): EUR 59,99 (inkl. 7% MwSt.) • Preis (ab 11/2015 bis 12/2022): EUR 29,95 (inkl. 7% MwSt.) • Preis (ab 01/2023): EUR 19,95 (inkl. 7% MwSt.)
B) Rahmenhandlung und Außenpolitik einschließlich der Verwaltung der Provinzen
II.) Οἱ διάδοχοι – Die Nachfolger
c) Der Kampf gegen Antigonos Monophthalmos
1.) Der offene Krieg gegen Antigonos Monophthalmos
Nach seinem Sieg über Eumenes begann Antigonos Monophthalmos, in den Reihen seiner Veteranen Säuberungen durchzuführen bis hin zur Liquidierung des Peithon, des Satrapen von Medien, und zusammen mit einem Rat seiner Philoi die Satrapien und höheren Ämter im Osten nach seinem Gutdünken zu verteilen.180 Damit verstieß er gegen den theoretisch immer noch gültigen Grundsatz, daß alle lokalen Herrscher des Alexanderreiches im Namen des makedonischen Königs als Satrapen ihre jeweiligen Provinzen verwalteten und dabei einander gleichrangig seien, und führte sich wie ein selbständiger Monarch mit Anspruch auf die Vorherrschaft auf, wie auch die Überlieferung berichtet, daß er sich von seinen Untertanen mit königlichen Ehren habe versehen lassen.181 Im Sommer 315 forderte er von Seleukos schließlich Rechenschaft über die Führung seiner Satrapie, während dieser die Befolgung dieser Forderung unter Berufung auf die Gleichrangigkeit verweigerte (Diod. 19,55,1-3), jedoch in Erkenntnis der Überlegenheit des gegnerischen Heeres mit 50 Gefolgsmännern nach Ägypten floh, bevor es zu einer wirklich entscheidenden Auseinandersetzung kam (Diod. 19,55,4-5). An seinem Ziel wurde er von Ptolemaios in allen Ehren empfangen (Diod. 19,56,1), da auch dieser sich als potentielles Angriffsziel der Bemühungen des Antigonos um die Erlangung der Herrschaft über das gesamte Alexanderreich sehen mußte, worin ihn der Bericht des Seleukos bestärkte (Diod. 19,56-1-2).182 Für den Lagiden war es im Kampf gegen Antigonos von zusätzlichem propagandatechnischen Nutzen, daß er mit Seleukos einen weiteren verdienten Feldherrn Alexanders des Großen unter seinen Diensten hatte, der zuvor vom gemeinsamen Feind seiner Besitzungen beraubt worden war, obwohl doch gerade er Antigonos im Kampf gegen Eumenes unterstützt hatte (Diod. 19,13,2-3).183
Daraufhin verbündeten sich Kassandros, Ptolemaios, Lysimachos und Seleukos gegen Antigonos Monophthalmos (Diod. 19,57,1). Dabei schlossen sie dem überlieferten Wortlaut nach eine συμμαχία (Diod. 19,57,2; s.a. Diod. 19,62,2 & 19,64,3 & 19,68,2). Dieser Begriff impliziert im formalen Bereich jedoch normalerweise ein zwischenstaatliches Bündnis bzw. im Zusammenhang mit persischen Satrapen den Abfall von der Zentralmacht, während die Kriegspartner in den vorherigen Kämpfen nach dem von Diodor und seiner Quelle Hieronymos gebrauchten terminus technicus κοινοπραγία sich ohne staatsrechtlichen Hintergrund bzw. informell (s. Diod. 15,8,4) bzw. im Rahmen geheimer Absprachen (s. Diod. 11,1,4) zusammengeschlossen hatten,184 wie es normalerweise bei Bürgerkriegsparteien bzw. sich erhebenden „Vasallen“ der Fall ist (s. Diod. 15,90,3 & 16,50,5-6 & 17,3,2 & 17,5,1).185 Bei dieser Interpretation stellt sich allerdings die Frage, ob bei den Berichten auch immer der damals benutzte formale Terminus genau widergegeben wurde, da es gerade bei derartigen formalen Feinheiten immer leicht zu Verwechslungen kommen kann, wie auch die Verwendung des Begriffes der συμμαχία an dieser Stelle schon eine antike Interpretation darstellen könnte, indem die Diadochen vom Autor als selbstherrlich agierende Feldherren betrachtet wurden. Aber auch in ihrem Ultimatum führten sich die Bündnispartner wie souveräne Herrscher auf. Denn sie forderten von Antigonos, daß er Seleukos dessen Satrapie zurückgeben, das gesamte Syrien Ptolemaios und das hellespontische Phrygien Lysimachos überlassen und Kappadokien an Kassandros bzw. Asandros abtreten solle, da er niemals das Anrecht dazu gehabt habe, die Satrapen, die niemals Eumenes unterstützt hatten, ihrer Besitzungen zu berauben. Außerdem solle er seine seit dem Tode des Eumenes erworbenen Schätze mit den anderen teilen, da er den Krieg formal im Namen aller bei den Beratungen zu Triparadeisos Beteiligter als Delegierter geführt habe.186 Eine diesbezügliche Regelung wäre formal allerdings in den Kompetenzbereich des Königs gefallen.187
Währenddessen war Antigonos Monophthalmos, nachdem er 315/14 in Mallos überwintert hatte, nach Nordsyrien gezogen und hatte auf dem Weg dorthin noch weitere 10.000 Talente aus dem Schatzhaus von Kyinda mitgenommen (Diod. 19,56,2). In den Schiffsbauwerften von Tripolis, Byblos und Sidon beschäftigte er sich mit dem Aufbau einer schlagkräftigen Flotte (Diod. 19,58,2-5), so daß er nun alle Mittel für eine großangelegte Offensive zu Wasser und zu Lande besaß.188 In Reaktion auf das Ultimatum seiner Gegner ließ er vor Tyros Kassandros wegen seiner Vergehen gegen das Königshaus durch das makedonische Heer ächten, wobei er auch die Ermordung der Olympias anführte (Diod. 19,61,1-2 & Iust. 15,1,3). Zugleich forderte er die Freilassung Alexanders IV. und Rhoxanes (Diod. 19,61,3; s.a. Iust. 15,1,3) und die Zerstörung der Städte Kassandreia und Theben, da es sich hierbei um Erzfeinde Makedoniens handle (Diod. 19,61,2-3). Außerdem postulierte er die Freiheit aller griechischen Poleis einschließlich eines Abzuges aller Besatzungen (Diod. 19,61,3), was v.a. Kassandros mit Griechenland als Kernbesitz treffen mußte. Schließlich verbündete er sich noch mit dem auf die Peloponnes zurückgedrängten Polyperchon, den er zum Strategen des dortigen Gebietes ernannte (Diod. 19,60,1), um somit dort einen Gegner gegen Kassandros aufzubauen.189
Seine erste militärische Aktion bestand im Einmarsch in Phoinikien, aus dem Ptolemaios angesichts der Übermacht seines Gegners seine Truppen im wesentlichen kampflos abzog, während allein die Besatzung von Tyros noch bis Juni 313 standhielt (s. in B) III.) c) 2.) Koilesyrien während des Dritten Diadochenkrieges). Der Hauptstoß des Antigonos Monophthalmos erfolgte diesmal, wohl in Erinnerung an das Fiasko des Perdikkas, allerdings an der Nordfront gegen Makedonien, in der Hoffnung, daß der Lagide nach Ausschaltung der übrigen Gegner ein leichteres Opfer sei. Deswegen ließ er allein seinen Sohn Demetrios Poliorketes mit einem Heereskontingent in Koilesyrien zurück, um so eine Ausnutzung der Lage durch Ptolemaios zu verhindern (Diod. 19,69,1).190 Dem Lagiden ließ diese Lage immer noch genug Freiraum, um sich weiteren Aktionen auf anderen Gebieten zu widmen.
In Erwiderung der Erklärung seines Gegners erklärte auch er die griechischen Poleis für frei, obwohl er selber alle in seinem Herrschaftsbereich mit Garnisonen versehen hatte. Hierbei tangierte er Kassandros in zumindest gleichem Ausmaße wie Antigonos, so daß hierin auch eine Vorsichtsmaßnahme des Lagiden gesehen wurde. Denn er habe genau gewußt, daß egal bei welchem Ausgang des Konfliktes der Gewinner praktisch der Herr über Makedonien und der nächste Anwärter für die Herrschaft über das Gesamtreich und damit einer Oberherrschaft Ägyptens sein würde, so daß er nahezu notwendigerweise ein natürlicher Feind des Lagiden sein würde. Die Freiheit der Poleis würde hingegen ein nicht zu vernachlässigendes Mittel zur Erschütterung des Machthabers in Makedonien darstellen. Allerdings handelte es sich bei einer solchen Erklärung, v.a. in ihrer immer häufigeren Benutzung als Mittel der Außenpolitik der hellenistischen Reiche, aber später auch durch die Römer, nicht um ein Zeichen einer ernstgemeinten Sorge der Herrscher um die Freiheit und die Autonomie der Poleis, sondern vielmehr um ein Symptom des seit Philipp II. existierenden Problems, wie die Poleis in ihrer klassischen Form als freie und autonome Einheiten von Bürgerschaften in Selbstverwaltung mit der neuen Form einer Königsherrschaft, die nach dem territorialen Prinzip und auf Basis der königlichen Autorität funktionierte, vereinbar seien.191 Ptolemaios wurde hiervon und von seiner Erklärung kaum berührt, da sich die Poleis in seinem Machtbereich außerhalb des Bereiches des klassischen Griechenlands befanden und z.T. schon seit Jahrhunderten unter einer fremden Oberhoheit standen.192
Im übrigen unternahm 314 Seleukos mit der ptolemaiischen Flotte eine Expedition in die östliche Ägäis, die mit einem erfolglosen Belagerungsversuch von Erythrai endete, indem er sich vor dem Entsatzheer unter Führung des Polemaios, des Neffen von Antigonos, zurückzog.193 Auch eine eventuelle Eroberung von Milet durch Ptolemaios wird von den Forschern gelegentlich in diesen Zeitraum verlegt.194 Außerdem ging er noch ein separates Bündnis mit Asandros, dem Satrapen von Karien, ein (Diod. 19,75,2). Dies erlaubte eine Kontrolle der Seewege vom Ostbereich in die Ägäis und am ehesten eine der Rhodier, die sich zu diesem Zeitpunkt Antigonos Monophthalmos näherten, wie auch das Gebiet an Lydien angrenzte. Allerdings wurde das Bündnis schon 313 wieder hinfällig, da Asandros dem heranrückenden Antigonos keinen Widerstand leisten konnte, weswegen dieser nach Ausbleiben ptolemaiischen Entsatzes die faktische Kontrolle über große Teile Kariens erlangte und sogar die Städte Milet (s.a. Inschr. Milet 123,2-4), Tralleis und Kaunos unter seine Kontrolle brachte (Diod. 19,75,3-5).195
Nach einem Versuch des Antigonos Monophthalmos, mit Hilfe eines Bündnisses mit den nicht mit Ptolemaios verbündeten Städten auf Zypern Fuß zu fassen, gelang es schließlich Menelaos, dem Bruder des Lagiden, und Seleukos 313 Zypern in seiner Gesamtheit für Ägypten zu gewinnen, das fortan von dem ersteren und Nikokreon, dem König von Salamis verwaltet wurde (s. in B) III.) b) 2.) Zypern während des Dritten Diadochenkrieges). 313/12 mußte Ptolemaios einen Aufstand in der Kyrene niederkämpfen, der u.U. auch von außen angezettelt worden war, um den Lagiden mit seinen militärischen Ressourcen an diese Region zu binden (s. in B) III.) a) 2.) Kyrene in der Zeit zwischen der Reichsordnung zu Triparadeisos und dem Frieden von 311). Danach sah er sich genötigt, selber nach Zypern zu reisen und dort harte Maßnahmen gegen die ihm nicht gewogenen Könige und Städte zu ergreifen, während Nikokreon von Salamis und Menelaos nun offiziell zu den Strategen der Insel ernannt wurden (s. in B) III.) b) 2.) Zypern während des Dritten Diadochenkrieges). Anschließend unternahm er noch Streifzüge nach Poseideon und Potamoi Karon im oberen Syrien und nach Mallos und Umgebung in Karien, um dann wieder über Zypern nach Ägypten zu ziehen. Ein Zweck dieser Aktion bestand in „der Gewinnung von Beute und der Verbreitung von Schrecken“, wie auch die Moral der Soldaten und die Beliebtheit ihres Feldherrn im Angesicht der zu erwartenden Schlachten erhöht werden sollte, indem sie einen beträchtlichen Teil der Beute erhielten (Diod. 19,79,7). Zugleich sollte aber auch Demetrios Poliorketes von der Grenze Ägyptens und aus Koilesyrien weggelockt werden, damit der Lagide dort dann besser agieren könne, wobei Demetrios, als er im Norden nichts mehr gegen den schon wieder verschwundenen Lagiden ausrichten konnte (Diod. 19,80,1-2), sofort wieder zurückkehrte, um Ptolemaios in Koilesyrien in der Schlacht entgegenzutreten.196 Somit dürfte für Ptolemaios in dieser Beziehung am meisten die demoralisierende Wirkung auf seine Gegner gezählt haben.
312 unternahmen schließlich Ptolemaios und Seleukos einen gemeinsamen Feldzug nach Koilesyrien.197 Dabei war dieser Zeitpunkt mit Bedacht gewählt. Denn angesichts der Ressourcen des Antigonos war eine derartige Expedition nur dann sinnvoll, wenn dieser auf absehbarer Zeit auf anderen Kriegsschauplätzen beschäftigt sein würde, was der Fall zu sein schien, da er sich zu diesem Zeitpunkt in Kleinasien befand und sich für eine Überquerung nach Europa vorbereitete, während Demetrios noch seine Schmach verdauen mußte. Zugleich würde diese Ablenkung mutmaßlich auch durch eine dem Feldzug folgende Rückkehr des Seleukos nach Babylon gewährleistet sein.198 Andererseits dürfte dieser Angriff auch zur Entlastung des Kassandros und des Lysimachos gedient haben, die beide von den Truppen des Antigonos in ihren Gebieten stark bedrängt wurden. Schließlich lag Koilesyrien im natürlichen Interessensbereich Ägyptens, während Seleukos daran interessiert war, Antigonos durch einen gut angelegten Kriegszug in diesem Bereich merklich zu schädigen,199 wie auch die Kontrolle Syriens die Hauptroute nach Babylon blockiert hätte, so daß ein Zug des Antigonos gegen Seleukos erheblich erschwert worden wäre.200
Bei Gaza trafen schließlich Ptolemaios und Demetrios Poliorketes mit ihren Heeren aufeinander.201 Der erstere verfügte hierbei über 18.000 Infanteristen und 4.000 Kavalleristen und mutmaßlich zusätzlich über eine nicht näher bestimmbare Anzahl von Ägyptern, denen aber von Diodor kein besonderer militärischer Wert zugeschrieben wurde (Diod. 19,80,4), so daß er sie wohl nicht unter den 18.000 mitgezählt haben dürfte. Das Heer des Demetrios bestand aus mehr als 12.500 Infanteristen, nämlich 11.000 Schwerbewaffneten und mehr als 1.500 Leichtbewaffneten, 4.400 Kavalleristen und 43 Elephanten (Diod. 19,82).202 Obwohl die vier ihm zur Seite stehenden Generäle, nämlich Nearchos, Peithon, Sohn des Agenor, Andronikos von Olynth und Philipp (s. Diod. 19,69,1), alles kriegserfahrene Leute aus der Zeit Alexanders des Großen, von der Schlacht abrieten (Diod. 19,81,1), stellte Demetrios sein Heer zur Schlacht auf. Hierbei baute seine Strategie auf den Kriegselephanten auf, die auf dem von ihm persönlich geführten linken Flügel mit ihrer Schlagkraft die gegnerischen Linien durchstoßen sollten, weswegen 30 von ihnen allein dort zum Einsatz kamen (Diod. 19,82). Allerdings beging er den Fehler, die Elephanten noch vor der Schlacht zu eindeutig zu positionieren. Daher konnte der Lagide die Stellung seines Gegners ausspähen lassen und auf seinem eigenen rechten Flügel die dementsprechenden Vorkehrungen treffen, indem er dort u.a. neben Kavalleristen, Steinewerfern und Bogenschützen v.a. auf den Kampf mit Elephanten spezialisierte Pioniere entgegensetzte (Diod. 19,83,1-3) und mit Ketten versehene spitze Eisenpfähle in den Boden rammen ließ, in denen sich dann die gegnerischen Elephanten verfingen und ihm zur Beute wurden (Diod. 19,84,1-4). Zugleich fiel er mit einem Teil seiner Reiterei dem Gegner in dessen linke Flanke (Diod. 19,83,4), so daß die gegnerischen Kavalleristen aufgrund des Mißerfolges der Elephanten die Flucht ergriffen (Diod. 19,84,1-5) und sich der linke Flügel auflöste und 500 Mann, darunter die meisten der Philoi in diesem Flügel, fielen (Diod. 19,85,2-3), so daß die Schlacht für Demetrios verloren war. Bei der Verfolgung der fliehenden Truppen wurde noch die Stadt Gaza eingenommen (Diod. 19,84,6-8), während Demetrios sich über Azotos (Diod. 19,85,1) nach Tripolis zurückzog, um dort die Überreste seiner Truppen wieder zu sammeln und nach seinem Vater um militärische Unterstützung zu senden (Diod. 19,85,5). Ptolemaios stand hingegen nun ganz Koilesyrien offen, wie auch dieser das Land mitsamt den Städten relativ rasch einnahm (Diod. 19,85,4 & 19,86,1-2).203 Jedoch auch die Erbeutung der gegnerischen Elephanten war von nicht geringer Bedeutung, da die Ptolemaier niemals über einen eigenen Zugang zu indischen Elephanten verfügten, während sich afrikanische Elephanten aufgrund der schlechteren Dressierbarkeit nur bedingt für den militärischen Einsatz eigneten.204 Außerdem machte Ptolemaios gemäß der Überlieferung 8.000 Gefangene (s. Plut. Demetr. 5,2), die teilweise zur Verstärkung der ptolemaiischen Besatzung mittels Ansiedlung verwendet wurden (Diod. 19,85,3-4), und erbeutete das gegnerische Lager und die feindliche ἀποσκευή, die er allerdings zusammen mit den in Gefangenschaft geratenen Philoi an Demetrios zurückschickte, um somit den Charakter dieses Krieges als eines um das Recht, nämlich das des Seleukos auf Babylonien, und nicht der Beute wegen zu demonstrieren (Plut. Demetr. 5,3 & Diod. 19,85,3 & Iust. 15,1,8-9).205 Schließlich eröffnete sich Seleukos die Möglichkeit, mit einem von Ptolemaios zur Verfügung gestellten Heer von 1.000 (Diod. 19,90,1) bzw. 1.300 Mann (App. Syr. 54,273) nach Babylon zurückzukehren und seine Satrapie zurückzuerobern.206 Zugleich sollte er im Bereich des Mittelmeerraumes für die nächsten Jahre keine besondere Rolle mehr spielen, außer daß er nun Antigonos im Osten von dessen Reich beschäftigte, da er bis 304 im Osten, v.a. in den Gebieten zum Indus hin, aber v.a. bis 308 auch mit gelegentlichen Rückeroberungsversuchen des Antigonos Monophthalmos beschäftigt war.207
Allerdings sollte der Lagide seinen Erfolg nicht allzulange auskosten können. Da nämlich Demetrios im Frühjahr 311 sein Lager im oberen Syrien errichtete und somit anscheinend vorhatte, zumindest Koilesyrien wieder zurückzuerobern, wenn nicht einen Generalangriff auf Ägypten selber durchzuführen, schickte Ptolemaios seinen General Killes gegen diesen aus, um mit einer gezielten Offensive ihm zuvorzukommen und ihn aus Syrien zu vertreiben. Demetrios erhielt jedoch Kunde von dem anrückenden Heer und überfiel es in dessen Lager bei Myus nach einem Nachtmarsch im Morgengrauen, so daß es sich kampflos ergab.208 Danach schlug er in Erwartung einer ptolemaiischen Großoffensive sein Lager an einem durch Seen und Sümpfe geschützten Platz auf und ersuchte seinen Vater um die Entsendung weiterer Kontingente (Diod. 19,93,3), woraufhin sich dieser persönlich mit seinem Heer zu seinem Sohn begab, so daß Ptolemaios vor der Wahl stand, entweder eine endgültige Entscheidungsschlacht um alles oder nichts gegen den militärisch überlegenen Antigonos zu schlagen oder vorläufig Koilesyrien aufzugeben und zu hoffen, daß Antigonos nicht die Entscheidung in Ägypten suchen würde. Hieraufhin wählte der Lagide auch auf Anraten seiner Philoi den Rückzug (Diod. 19,92,4-6).209 Daß eine erneute Revolte in der Kyrenaia diesen Abzug mit verursacht habe,210 beruht hauptsächlich auf einer älteren Interpretation einer unklaren Stelle der Satrapenstele, gemäß der der Ort des nach dem Syrienfeldzuges erwähnten Zuges Mer-mer-ti, also die Kyrenaia, sei (s. in B) III.) c) 3.) β) Die in der Satrapenstele erwähnten Feldzüge).
Im Herbst 311 wurde schließlich ein Friedensvertrag geschlossen.211 Er entsprach dem allgemeinen Interesse der Beteiligten, in ihrer jeweiligen Situation einen Waffenstillstand auf dem status quo zu erreichen, da keine Seite in der Lage gewesen war, einen entscheidenden Sieg bzw. einen wesentlichen Gewinn an Territorium zu erringen, so daß ein Ende des Krieges durch den Sieg einer der Parteien nicht abzusehen war. Außerdem war Antigonos Monophthalmos durch die erfolgreiche Rückkehr des Seleukos nach Babylon plötzlich in einen Zweifrontenkrieg verwickelt.212 Hierbei handelte es sich ursprünglich um einen Vertrag allein zwischen Antigonos Monophthalmos, Kassandros und Lysimachos, dem Ptolemaios schließlich beitrat. Denn Antigonos hatte schon in den Jahren zuvor versucht, seine Gegner, die niemals eine absolute Einheit gebildet hatten, sondern in zwei Gruppen, nämlich Ptolemaios und Seleukos einerseits und Kassandros und Lysimachos andererseits, zerfielen (s.a. OGIS 5,9-10), durch den Abschluß eines Friedens mit einer von beiden Gruppen zu spalten, was aber vorerst zum Scheitern verurteilt gewesen war (s. Diod. 19,64,8 & 19,75,6). Nach der Schlacht zu Gaza waren die Verhandlungen mit der zweiten Gruppe von Erfolg gekrönt gewesen, so daß sich der Lagide beeilte, sich dem Frieden anzuschließen, um nicht alleine gegen Antigonos im Kriege zu stehen (OGIS 5,26-52).213 Hierbei wurde zumindest die Satrapie Ägypten als Besitz des Ptolemaios bestätigt (Diod. 19,105,1), während der Status der Kyrenaia nicht eindeutig festgestellt werden kann (s. in B) III.) a) 2.) Kyrene in der Zeit zwischen der Reichsordnung zu Triparadeisos und dem Frieden von 311) und Zypern überhaupt nicht erwähnt wurde. Antigonos wurde als Herr über ganz Asien und Kassandros als Stratege in Europa bis zur Volljährigkeit Alexanders IV. und implizit als dessen Aufseher und Lysimachos als Machthaber über Thrakien anerkannt (Diod. 19,105,1), während Polyperchon keine Rolle mehr spielte.214 Seleukos wurde zumindest in der überlieferten Version nicht erwähnt, was Ptolemaios, abgesehen davon, daß die strategische Klugheit ihn zum Beitritt zu diesem Übereinkommen zwang, nicht weiter gestört haben dürfte, da Seleukos sich zu diesem Zeitpunkt schon in einer Position befunden zu haben schien, in der er sich nicht mehr so leicht von Antigonos vertreiben lassen würde.215 Zugleich könnte Ptolemaios hier u.U. schon gegen einen allzu großen Machtgewinn des Seleukos entgegengesteuert haben, nachdem dieser innerhalb kurzer Zeit in der Lage gewesen war, ein neues, nicht zu vernachlässigendes Großreich aufzubauen, so daß sich die Möglichkeit eröffnete, daß einst ein neuer ernstzunehmender Kontrahent im Osten entstehen würde.216
Schließlich anerkannten die Vertragspartner die Freiheit der Poleis im gesamten Reich und verpflichteten sich diese zu respektieren (Diod. 19,105,1 & OGIS 5,53-66 & 6,8 & 14-17). Allerdings befanden sich in den Herrschaftsbereichen aller Vertragsparteien Poleis, die unter diese Klausel fielen und von ihnen auf Kosten der faktischen Autonomie unter effektiver Kontrolle gehalten wurden, weswegen jede der Vertragsparteien in der Lage war, jeder anderen unter dem Vorwand dieser Klausel den Krieg zu erklären.217 Auch wurde niemand mit dem Ergebnis des Vertrages auf Dauer saturiert, da z.B. Ptolemaios immer noch nach Koilesyrien trachtete, Kassandros in seiner Stellung nur so lange gesichert war, wie Alexander IV. nicht die Volljährigkeit erreichte, und Antigonos immer noch nach der Gesamtherrschaft strebte.218 Somit handelte es sich bei diesem Vertrag faktisch um eine letzte Atempause vor der endgültigen Auseinandersetzung und Entscheidung zwischen den Vertragsparteien, indem noch einmal die Fiktion eines einheitlichen Reiches unter der Herrschaft der Argeadendynastie aufrechterhalten und formal die Verwaltungskompetenzen im Gesamtreich unter der Herrschaft Alexanders IV. bis zum Datum seiner Volljährigkeit verteilt wurden.219 Auch wurde hier das zentrale Königtum als Legitimationsgrundlage wohl zum letzten Male explizit in einem offiziellen Vertrag der Diadochen untereinander festgehalten, wobei es sich jedoch schon um einen formalen Friedensvertrag handelte, wie er eigentlich nur zwischen souveränen Machthabern möglich gewesen sein dürfte.220
Anmerkungen:
180 Diod. 19,46,1-4; s.a. Huß (2001), p. 141; Droysen (1877), Bd. II, p. 197; Kaerst (1894)a, p. 2409.
181 Polyain. 4,6,13: Ἀντίγονος δὲ ἁπάσης τῆς Ἀσίας βασιλεὺς ἀνηγορεύθη.; s.a. Bosworth (2002), p. 162.
182 Huß (2001), pp. 142-143; s.a. Stähelin (1921)b, p. 1211; Bengtson (1975), p. 45.
183 Bosworth (2002), p. 214.
184 Diod. 18,14,2 & 18,25,4 & 18,29,4 (Umfeld des 1. Diadochenkrieges) & Diod. 18,49,2 & 18,57,3 (Umfeld des 2. Diadochenkrieges); bei Diod. 15,90,3 & 18,49,3 wird dagegen das Verb συμμαχεῖν untechnisch im Sinne von „zusammen kämpfen“ gebraucht.
185 Huß (2001), p. 108 n. 81 & p. 145 n. 391; s.a. Rosen (1968), pp. 184-205 passim.
186 Diod. 19,57,1 (manche Forscher ersetzen hier Kassandros durch Asandros) & Iust. 15,1,2; s.a. App. Syr. 53,270; s.a. Will (1984)a, p. 46; Droysen (1877), Bd. II, p. 213; Huß (2001), pp. 144-145.
187 Volkmann (1959)e, p. 1613.
188 Huß (2001), p. 144; s.a. Bengtson (1987), p. 50; Green (1990), p. 23; Maier (1994), pp. 333-334.
189 Will (1984)a, p. 47; s.a. Droysen (1877), Bd. II, p. 217; Huß (2001), pp. 147-149; Gehrke (2003), p. 37.
190 Will (1984)a, pp. 46-49; s.a. Green (1990), pp. 23 & 26; Huß (2001), pp. 146 & 149 & 154.
191 Will (1984)a, pp. 47-48; s.a. Will (1979), Bd. I, pp. 56-57; Green (1990), p. 26.
192 s. Huß (2001), p. 150.
193 Diod. 19,60,4; s.a. Huß (2001), p. 148; Droysen (1877), Bd. II, p. 220; Seibert (1969), p. 141.
194 Volkmann (1959)e, p. 1613; s.a. Ameling (2001)b, p. 432; s. B) III.) d) Milet.
195 Huß (2001), pp. 150 & 156; s.a. Seibert (1969), p. 142.
196 Huß (2001), p. 160 c. n. 514; s.a. Winnicki (1989), pp. 58-59.
197 Hölbl (1994), p. 19; s.a. Geier (1838), p. 33; Droysen (1877), Bd. II, p. 236; Will (1984)a, p. 49.
198 Winnicki (1989), pp. 57-58; s.a. Huß (2001), p. 160; Bosworth (2002), pp. 216-217.
199 Tarn (1927)c, p. 487; s.a. Green (1990), p. 26; Ellis (1994)c, p. 44; Hölbl (1994), p. 19.
200 Bosworth (2002), p. 230.
201 Hölbl (1994), p. 19; s.a. Geier (1838), p. 33; Tarn (1927)c, p. 487; Ellis (1994)c, p. 44. Der genaue Zeitplan des Feldzuges ist umstritten. Die Quellen legen für die Schlacht zu Gaza eher Herbst 312 nahe (IG XII,5,444B,119-120 = FGrH 239 (Marmor Parium) B16 (Archontat Polemon = 312/11) & Ios. c. Ap. 1,185 (117. Olympiade)). Jedoch sprechen die anschließenden Feldzüge des Seleukos im Rahmen seiner Eroberungen im Osten eher für Frühjahr 312, wie auch Josephus auf Basis des Kastor von Rhodos die Schlacht noch in das 11. Jahr nach dem Tod Alexanders des Großen verlegt (Ios. c. Ap. 1,184). Die Quellen zeichnen sich aber alle dadurch aus, daß bei ihnen nicht selten Fehler bei der Übertragung in das bei ihnen jeweils angewandte chronologische System auftreten. Allerdings würde eine etwas frühere Datierung im Jahr v.a. auch Ptolemaios genug Zeit geben, in Phoinikien einzumarschieren und sich der Provinz zu bemächtigen.
202 Huß (2001), pp. 160-161 c. n. 519; s.a. Droysen (1877), Bd. II, p. 236; Avi-Yonah (1973), p. 350.
203 Seibert (1969), pp. 171-173; s.a. Kaerst (1901), p. 2770; Bengtson (1987), pp. 51-52; Huß (2001), pp. 161-162.
204 Hölbl (1994), p. 55; s.a. Bevan (1968), pp. 175-176; Green (1990), p. 329.
205 Bengtson (1975), pp. 25 & 46; s.a. Volkmann (1959)e, p. 1615; Winnicki (1989), p. 61.
206 Diod. 19,90-92 & App. Syr. 54,273 & 55,278 & Synk. p. 506 Dindorf & IG XII 444B,120 = FGrH 239 (Marmor Parium) B16 & Plut. Demetr. 7,2-3; s.a. Dan 11,5; s.a. Bengtson (1975), p. 47; Stähelin (1921)b, pp. 1212-1214.
207 s. z.B. Diod. 19,100,5-7 & App. Syr. 55,278-279 & 55,282; s.a. Bengtson (1975), pp. 48-50; Green (1990), pp. 27 & 29.
208 Diod. 19,93,1-2 & Plut. Demetr. 6,2; s.a. Huß (2001), pp. 163-164; Geier (1838), p. 35; Winnicki (1989), p. 63.
209 Huß (2001), p. 164; s.a. Droysen (1877), Bd. II, pp. 244-245; Winnicki (1989), p. 63.
210 s. Wachsmuth (1871), p. 470.
211 s. OGIS 5 (Brief des an die Bewohner von Skepsis von 311) & OGIS 6 (darauffolgendes Dekret von Skepsis) & Diod. 19,105,1; s.a. Hölbl (1994), p. 19; Tarn (1927)c, p. 488; Bengtson (1975), p. 48; Huß (2001), pp. 165-166.
212 Huß (2001), pp. 146-166 passim; s.a. Tarn (1927)c, p. 488; Green (1990), p. 27; Ellis (1994)c, p. 45.
213 Will (1984)a, p. 50; s.a. Seibert (1983), pp. 25-28; Huß (2001), pp. 156-157 & 166; Bosworth (2002), pp. 239-240.
214 Will (1984)a, p. 50; s.a. Geier (1838), pp. 35-36; Tarn (1927)c, pp. 488-489; Bengtson (1987), pp. 43-44.
215 Will (1984)a, p. 50; s.a. Simpson (1954), pp. 27 & 29.
216 Bosworth (2002), p. 242.
217 Green (1990), p. 28; s.a. Will (1979), Bd. I, pp. 62-63; Will (1984)a, p. 51; Binder (2003), p. 66.
218 Bouché-Leclercq (1903-1907), Bd. I, p. 54; s.a. Kaerst (1901), p. 2771.
219 Green (1990), p. 28; s.a. Rosen (1968), p. 205; Will (1984)a, p. 50; Huß (2001), p. 168; Gehrke (2003), p. 38.
220 Rosen (1968), p. 205; s.a. Binder (2003), p. 65. Daß die Diadochen damals schon zumindest nach einer königsgleichen Stellung strebten, indem Antigonos z.B. über Demetrios nach dem Sieg über Killes gesagt habe: φαίνεσθαι βασιλείας ἄξιον (Diod. 19,93,4), Seleukos vor seinem Aufbruch nach Babylon seinen Philoi gegenüber behauptet habe, daß in einem Orakel τὸν θεὸν προσαγορεῦσαι Σέλευκον βασιλέα (Diod. 19,90,4; s.a. App. Syr. 56,283), und nach seinen Erfolgen in Babylonien, in der Susiane und in Medien ἔχων ἤδη βασιλικὸν ἀνάστημα (Diod. 19,92,5) geschrieben habe (Huß (2001), p. 169), wird dadurch relativiert, daß es sich hierbei um vaticinia ex eventu handeln könnte (Gehrke (2003), p. 162).