Das Aufeinandertreffen zweier Kulturen I
Christian A. Caroli:
Das Aufeinandertreffen zweier Kulturen I:
Die Ägypter und die Fremdherrscher unter Alexander dem Großen und Ptolemaios I.
publiziert in:
Mohamed Badawi & Christian A. Caroli (Hrg.):
As-Sabil-Sammelbände für Kulturpluralismus;
Band 2: Das Aufeinandertreffen von Kulturen,
S. 147-175.
Konstanz 2009 (badawi - artes afro arabica)
Umfang: 230 Seiten • Format: 24 x 17 cm • ISBN 13: 978-3-938828-26-7
Preis (bis 10/2015): EUR 29,95 (inkl. 7% MwSt.) • Preis (ab 11/2015): EUR 14,95 (inkl. 7% MwSt.)
1. Inschriften (mutmaßlich) zeitgenössischer Ägypter autobiographischen Charakters
1.6. Ein Priester des Harsomtous von Bahu
Im Museum zu Karthago befindet sich ein 0,235 cm hohes Stück einer Statue, das den Torso von der Gürtellinie an ohne Kopf und Arme darstellt und auf dem Rückenpfeiler eine vierspaltige autobiographische Inschrift beinhaltet. Die Überreste lassen eine Bekleidung im Stile der Saitenzeit erkennen. Zugleich spricht die Inschrift auch von „le Très Grand Roi“ (nsw-‛3-wr), was als Titel sonst nirgendwo in ägyptischen Inschriften belegt werden kann, aber stark an den Titel der Persischen Großkönige χšāyaθiya bzw. griechisch ὁ μέγας βασιλεύς erinnert. Da jedoch die ägyptische Form klassischerweise pr-‛3 p3-‛3 („le grand Pharaon“) lautet, läßt der Titel vermuten, daß die Statue aus der frühesten Phase der Perserherrschaft stammen müsse, als sich die offizielle ägyptische Formulierung noch nicht durchgesetzt habe.81 Dagegen sprechen die stilistischen Elemente der Statue an sich und ihrer Inschrift eher für die frühe Ptolemaierzeit.82
Der Besitzer dieser Statue hat gemäß der Inschrift83 als Priester des Harsomtous, „Horus, der die beiden Länder vereinigt hat“, im Dorfe Bahu, das nahe bei Hermopolis parva im Zentrum des Nildeltas liegt, gearbeitet. Auch er rühmt sich, daß er beim König unter die Großen des Reiches erhoben worden und dieser ihm gegenüber sehr freundlich und freigebig gewesen sei (col. 1 & 3), aber auch, daß er seine religiösen Pflichten dem „großen Gott, Herr von Bahu“ gegenüber versehen habe (col. 2). Dabei spricht er auch von einer Verschickung von Schiffsladungen mit Kalksteinen bzw. Gegenständen aus Kalkstein in die Fremde, die aber zweimal verlorengegangen sei, um erst beim dritten Versuch anzukommen (col. 4). Schließlich habe er die Zeremonien und die täglichen Opfer im Tempel seines Gottes wiederhergestellt (col. 2), was darauf hindeutet, daß es zuvor eine Zeit des Chaos und der Anarchie oder zumindest der Vernachlässigung des kultischen Betriebes gegeben habe, wenn hier nicht pure Topik vermutet werden soll.
Anmerkungen:
81 Drioton (1959), pp. 442-445.
82 Montet (1959), pp. 446.
83 „(col. 1) Le pacha, que le Roi éleva au milieu des grands parmi les grands qui fréquentaient librement la Maison du Sud et la Maison du Nord, le prêtre-fek d’Harsomtous, seigneur de Bâhou, qui préside au Château ... (col. 2) Comme il naviguait par le canal, il adora le Grand Dieu, seigneur de Bâhou, dans son sanctuaire. Il entra dans son adytum. Il contempla l’Image de Khentekhtaï. Il restaura les cérémonies de son temple et les offrandes sur [son autel?] chaque jour ... (col. 3) auprès du Roi devant son trône. Le Très Grand Roi, son maître, fut accueillant pour lui en lui donnant un pendentif d’or au titre de Musicien dans la Maison du Sud et la Maison du Nord. Ce fut une récompense, mais aussi il (le Roi) fit augmenter ... (col. 4) de calcaire au complet. Lorsqu’ils firent route à l’étranger, il fit voile devant eux une première et une seconde fois. Puis lorsqu’il eut effectué ces nombreuses navigations ...“ (Übersetzung: Drioton (1959), p. 443).