Dr. Christian A. Caroli – د. كْرِسْتْيَان أ. كَارُلِي

Auf dem Weg zum Rubikon

Caroli: Auf dem Weg zum Rubikon (Coverbild)

Christian A. Caroli:

Auf dem Weg zum Rubikon – Die Auseinandersetzungen zwischen Caesar und seinen politischen Gegnern 52-49 v. Chr.
 

Konstanz 2008 (badawi - artes afro arabica)
 

Umfang: X + 113 Seiten • Format: 24 x 17 cm • ISBN 13: 978-3-938828-25-0

Preis (bis 10/2015): EUR 29,95 (inkl. 7% MwSt.) • Preis (ab 11/2015): EUR 14,95 (inkl. 7% MwSt.)

 

 

B) Die Grundlagen der politischen Auseinandersetzungen im Vorfelde des Ausbruches des Bürgerkrieges (Die „Rechtsfrage“)

I.) Das Ende der Statthalterschaft Caesars

b) Die lex Vatinia de provincia Caesaris

Aufgrund der während seines Konsulats ratifizierten lex Vatinia de provincia Caesaris20 erhielt Caesar das Prokonsulat über die Provinz Gallia cisalpina mit Illyricum für ein quinquennium bis zum 01.03.54 (Cic. prov. 38), wozu der Senat auf Veranlassung des Pompeius noch Gallia transalpina hinzufügte.21 Der 01.03. ist als Stichtag u.U. dadurch erklärbar, daß bei einem Funktionieren des Kalenders das Wetter zu diesem Zeitpunkt wieder eine nicht allzu mühselige oder gar gefährliche Reise ermöglichte und außerdem im März aus dem gleichen technischen Grunde die Jahreszeit für die Feldzüge begann.22 So wurden auch am 19.03 jeden Jahres die ancilia – zwölf Schilde, von denen eines der Sage nach zur Zeit des Numa Pompilius als Schild des Mars vom Himmel gefallen war und die Herrschaft Roms garantieren sollte, während die übrigen elf als Imitate des ersten eventuellen Räubern die Identifikation des Originals unmöglich machen sollten – von den Saliern, die u.a. unter dem Schutz des Mars standen, zwecks eines Umzuges aus ihrer Aufbewahrungsstätte hervorgeholt. Dabei symbolisierten die im Rahmen dieses Festaktes vorgenommenen Handlungen u.U. den Beginn der jährlichen Feldzüge des römischen Heeres und die Priester das römische Heer in seiner ursprünglichen Form.23 Überhaupt war der März, abgesehen von seinem Namen, ein Monat der Feste zu Ehren des Mars, der schon an seinem ersten Tag mit einem Marsfest anfing.24

Mommsen erklärt dieses Stichdatum mit Hilfe seiner Imperientheorie. Danach habe das Imperienjahr auch nach der Verlegung des Konsulatsjahres vom Jahr 153 an immer noch am 01.03 begonnen.25 Dies habe dazu geführt, daß ein Konsul bzw. ein Praetor erst zum 01.03. den militärischen Oberbefehl habe übernehmen und damit seine Provinz verwalten können. Andererseits habe er nach dem Ablauf seines Konsulats bzw. seiner Praetur die Provinz so lange pro consule bzw. pro praetore weiterverwalten müssen, bis sein Nachfolger sein imperium erhielt und damit selber die Provinzgeschäfte antreten konnte, so daß es zu einer Gesamtamtszeit von 14 Monaten gekommen sei.26 Die lex Cornelia (de provinciis ordinandis) Sullas27 verbot den Magistraten während ihrer eigentlichen Amtszeit die Übernahme eines militärischen Kommandos und damit die Verrichtung der Provinzgeschäfte, so daß ein Magistrat erst nach dem Ablauf seiner eigentlichen Amtszeit seine Provinz selber pro consule bzw. pro praetore verwalten konnte und die Gesamtamtszeit damit auf zwei Jahre anwuchs.28 Außerdem mußte die Promagistratur zeitlich direkt nach dem entsprechenden Magistrat erfolgen, so daß Caesar nach Auslaufen seines Prokonsulats erst zum darauffolgenden 01.01. durch einen Amtsnachfolger abgelöst werden konnte.29 Diese Kombination von altem Imperienjahr und der lex Cornelia, die dieses faktisch abschaffte, erscheint jedoch nicht sehr plausibel.30 Die Theorie des Imperienjahres basiert v.a. auf kaiserzeitlichen Quellen31 und wurde von Mommsen in seinem Staatsrecht weitgehend weggelassen.32 Dennoch beharrte er im Staatsrecht33 immer noch in abgeschwächter Form darauf, daß die comitia curiata auch noch nach 154 das imperium erst ab dem 01.03. vergaben, wobei er allerdings zugibt, daß sich diese Theorie nicht mit Sicherheit nachweisen läßt. Die bei Mommsen angeführte Ernennung der Praetoren zum März 61 stellte jedoch in Wahrheit die Verteilung der Provinzen an die von 62, die sich damals über die Amtszeit hinaus verschoben hatte (Cic. Att. 1,13,5), dar. Des weiteren handelte es sich bei dem Fall von 56 nicht um die sortitio der Praetoren, sondern um die meist erst viel später erfolgende ornatio der Praetoren von 57, die sich auch noch durch die allgemeinen Konflikte zwischen Clodius und Milo Ende 57 verspätet hatte.34

Wenn die lex Vatinia gemäß der Meinung Meiers35 bis spätestens 04.04. oder gar bis Ende März durchgebracht wurde, könnte dieses Stichdatum vielleicht dadurch zustande gekommen sein, daß man bei der Vergabe der Provinzen an Caesar in einem auf Annuität beruhenden Staatssystem bei einer Dauer von fünf Jahren bis zum Ende der Gebundenheit eine Schmerzgrenze sah. Für diese Datierung der lex Vatinia spricht u.U. Ciceros Erwähnung des exercitus Caesaris vom 01.05.59, da ja damit nach Meier36 kaum die Anhängerschaft Caesars gemeint sein kann, durchaus aber ein zukünftiges Heer, was aber erst mit der Statthalterschaft Galliens aktuell wurde, wobei zwischen 04.04. und 01.05. keine Komitialtage mehr angelegt waren.37 Die Vertreter der Gegenposition gehen dagegen davon aus, daß zu diesem Ausdruck Ciceros lediglich der Inhalt der Gesetzesvorlage bekannt sein mußte, während das Gesetz auch später verabschiedet worden sein kann. Vor allem wird Pompeius bei Sueton im Kontext der Durchsetzung dieses Gesetzes als Schwiegervater bezeichnet, während seine Heirat mit Caesars Tochter Iulia Cicero erst am 05.05. bekannt war. Außerdem waren die Komitialtage des März und des April mit Festlichkeiten belegt (Cic. Att. 2,7,3 & Vatin. 30 & Schol. Bob. pp. 149-150 St.), und danach begann eine Urlaubsperiode bis knapp zu den Iden des Mai, so daß die lex Vatinia frühestens in der zweiten Hälfte Mai verabschiedet worden sein könne.38 Marsh führt dagegen an, daß Sueton das Konsulat von 59 und seine Ereignisse unter Vernachlässigung der Chronologie in einer auf den Inhalt ausgerichteten Reihenfolge behandelt; so wird Pompeius als Schwiegersohn Caesars betitelt, da die Heirat schon erwähnt wurde, dadurch ist der Autor außerdem in der Lage, das enge Verhältnis zwischen Pompeius und Caesar auszudrücken, auch wenn sie noch gar nicht miteinander verwandt waren. Auch kann das Fehlen jeglicher Erwähnung der Verabschiedung der lex Vatinia in Ciceros Briefen dadurch erklärt werden, daß sie verabschiedet wurde, bevor er am 12.04. Rom verließ.39 Daher muß diese These bezüglich des 01.03. als Enddatum eine Vermutung bleiben.

Gelzer deutet dieses Datum damit, daß es aufgrund der lex Pupia de senatu diebus comitialibus non habendo40 von vor 57 im Januar wegen der vielen Komitialtage kaum Zeit für Senatsverhandlungen gab, während der Februar nach der lex Gabinia de senatu legatis dando41 von 67 für Gesandtschaften reserviert war,42 so daß großangelegte Verhandlungen bezüglich einer Nachfolge Caesars als Statthalter vor dem 01.03. von vornherein unwahrscheinlich waren. Allerdings muß bedacht werden, daß es sich bei dem Datum in diesem Falle um keine Beschlußsperre handelte und die Verhandlungen über eine Nachfolge Caesars zum 01.03.54 als dem aufgrund der lex Vatinia frühstmöglichen Termin gemäß der Rechtslage, nämlich der lex Sempronia de provinciis consularibus und der lex Cornelia de provinciis ordinandis (s. in B) I.) c) 2.) α) Die Beschlußklausel und die in den Absetzungsverhandlungen relevanten Daten), normalerweise schon im Jahre 56 hätten erfolgen müssen, wenn sie nicht wiederum auf Basis eines Gesetzes über ein außerordentliches imperium erfolgen sollte.43

Obwohl diese Thesen bezüglich des 01.03. als Stichdatum fast alle eine gewisse Plausibilität besitzen, scheint die Äußerung Birnbachers44 immer noch gültig zu sein: „Warum man gerade in diesem Falle von der allgemeinen Regel [des 01.01. als Stichtag entsprechend der lex Cornelia] abgegangen [ist], ist bisher nicht befriedigend aufgeklärt. Trotzdem aber wird man am Datum des 1. März festhalten müssen mit Rücksicht auf eine Stelle bei Cicero, die jeden Zweifel ausschließt und wenigstens für den Endtermin kein anderes Datum als den 1. März zuläßt.“

 

 

Anmerkungen:

20 Cic. prov. 36-38 & Vatin. 35-36 & Sest. 135 & Att. 8,3,3 & Suet. Iul. 22,1 & Plut. Caes. 14,6 & Pomp. 48,3 & Cato min. 33,3 & Vell. 2,44,5 & App. civ. 2,13,49 & Dio 38,8,5 & Oros. 6,7,1 & Zon. 10,6; s.a. Rotondi (1912), p. 392.

21 Cic. prov. 36 & Att. 8,3,3 & Suet. Iul. 22,1 & Dio 38,8,5 & Oros. 6,7,1; s.a. Hofmann (1857), p. 9; Birnbacher (1916), p. III; Holmes (1916), p. 49; Meyer (1922), pp. 92-93; Perpillou (1928), p. 273-274; Stevens (1938), p. 169; Balsdon (1939), p. 276; Barwick (1951), pp. 9-10; Cuff (1958), p. 455; Gelzer (1963), pp. 206-214 passim; Giannelli (1966), pp. 109-110; Jameson (1970), p. 646; Stockton (1975), p. 233; Gundel (1979), p. 1000; Uttschenko (1982), p. 93; Will (1997), p. 912.

22 Elton (1946), pp. 29-30; s.a. Mommsen (1857), p. 16 bzw. (1965), p. 105; Jameson (1970), p. 641.

23 Plut. Num. 13, bes. 13,4: […] ἣ ὑπορχοῦνται διαπορευόμενοι τὴν πόλιν, ὅταν τὰς ἱερὰς πέλτας ἀναλάβωσιν ἐν τῷ Μαρτίῳ μηνί, φοινικοῦς μὲν ἐνδεδυμένοι χιτωνίσκους, μίτραις δὲ χαλκαῖς ἐπεζωσμένοι πλατείαις καὶ κράνη χαλκᾶ φοροῦντες, ἐγχειριδίοις δὲ μικροῖς τὰ ὅπλα κρούοντες.; s.a. Ov. fast. 3,259-260 & Serv. Aen. 8,3 & 664 & 7,603; s.a. Binder (1971), pp. 192-193 & 198-199; Wissowa (1912), pp. 144 & 555-558; Latte (1960), pp. 114-116; Radke (1965) p. 203.

24 Wissowa (1912), p. 144; s.a. Latte (1960), pp. 114 & 117-118; Radke (1965), pp. 202-203.

25 Mommsen (1857), pp. 12-16 bzw. (1965), pp. 101-105.

26 Mommsen (1857), pp. 21-28 bzw. (1965), pp. 110-117.

27 Rotondi (1912), p. 353; s.a. ausführlicher B) I.) c) 2.) γ) Die lex Cornelia de provinciis ordinandis und das Problem der quinquennia.

28 Mommsen (1857), pp. 29-34 bzw. (1965), pp. 118-123.

29 Mommsen (1857), pp. 41-43 bzw. (1965), pp. 129-130; s.a. Cuff (1958), pp. 453-454.

30 Cuff (1958), p. 454.

31 s. Mommsen (1857), pp. 14-15 bzw. (1965), pp. 103-104.

32 Mommsen (1965), p. 92 n. d. Hrg.; s.a. Meyer (1922), p. 325 n. 1.

33 Mommsen (1887-1888), Bd. I, pp. 610-611 c. p. 611 n. 2.

34 Balsdon (1939), pp. 65-66 c. n. 56.

35 Meier (1961), pp. 69-88; s.a. Coffin (1925/26), p. 177.

36 Meier (1961), p. 83; s.a. Coffin (1925/26), p. 177; Marsh (1963), p. 391.

37 Meier (1961), p. 69.

38 Taylor (1968), pp. 182-188; s.a. Gesche (1976), pp. 47-49.

39 Marsh (1963), pp. 388-390 passim.

40 Cic. fam. 1,4,1 & Q. fr. 2,2,3 & 2,13,3 & Sest.  74; s.a. Caes. civ. 1,5,4; s.a. Rotondi (1912), p. 399. Da dieses Gesetz mit Sicherheit vor 57 ratifiziert wurde, ist mit einer relativ großen Wahrscheinlichkeit anzunehmen, daß es auch schon im Jahre 59 existiert hatte. Gruen (1974), p. 252 führt hierzu an, daß allein für das Jahr 61 ein Pupius, nämlich M. Pupius Piso, belegt werden kann.

41 Cic. fam. 1,4,1 & Q. fr. 2,13,3 & Verr. 2,2,76; s.a. Rotondi (1912), p. 373; allein Gruen setzt dieses Gesetz in das Konsulat des Gabinius von 58 (Gruen (1974), p. 252).

42 Senatus haberi ante Kalendas Febr. per legem Pupiam, id quod scis, non potest, neque mense Febr. toto, nisi perfectis aut reiectis legationibus. (Cic. fam. 1,4,1); Consecuti dies pauci Ianuario mense, per quos senatum haberi liceret. (Cic. Sest. 74); s.a. Gelzer (1969), p. 170 n. 25; Balsdon (1939), pp. 66-68; Adcock (1962), p. 627; Balsdon (1962), p. 139; Giovannini (1983), pp. 141-142.

43 Bringmann (1978), p. 349-351.

44 Birnbacher (1916), p. III.

 

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