Auf dem Weg zum Rubikon
Christian A. Caroli:
Auf dem Weg zum Rubikon – Die Auseinandersetzungen zwischen Caesar und seinen politischen Gegnern 52-49 v. Chr.
Konstanz 2008 (badawi - artes afro arabica)
Umfang: X + 113 Seiten • Format: 24 x 17 cm • ISBN 13: 978-3-938828-25-0
Preis (bis 10/2015): EUR 29,95 (inkl. 7% MwSt.) • Preis (ab 11/2015): EUR 14,95 (inkl. 7% MwSt.)
B) Die Grundlagen der politischen Auseinandersetzungen im Vorfelde des Ausbruches des Bürgerkrieges (Die „Rechtsfrage“)
I.) Das Ende der Statthalterschaft Caesars
c) Die lex Pompeia Licinia de provincia C. Iulii Caesaris
2.) Die gängige Alternative: Der 01.03.50 als Endtermin
γ) Die lex Cornelia de provinciis ordinandis und das Problem der quinquennia
Wenn man das quinquennium als einen Zeitraum von genau fünf Jahren ansieht, ergibt sich aber die Schwierigkeit, daß Caesars Statthalterschaft nach der lex Vatinia bei einem als gesichert zu geltenden Endtermin am 01.03.54 noch während seines Konsulats hätte beginnen müssen. Dies hätte aber der lex Cornelia de provinciis ordinandis widersprochen, nach der ein Konsul seine Provinz erst nach seinem Konsulat übernehmen durfte. Außerdem brach Caesar erst im Frühjahr 58 nach Gallien auf (Caes. Gall. 1,6,4-1,7,1), ohne während seines Konsulats Legaten vorauszuschicken, so daß er fast ein Jahr seiner Statthalterschaft verschenkt hätte, obwohl er sich vorher durch die lex Vatinia den Dispens von der lex Cornelia hätte geben lassen können.127 Die Vermutung Birnbachers,128 daß Caesar sich die Möglichkeit offenhalten wollte, schon während seines Konsulats in die Provinz aufzubrechen, erscheint auch nicht recht überzeugend. Denn Caesar war während seines Konsulats in Rom immun, während ein senatus consultum ultimum oder sonstige Mittel der außerregulären Gewaltanwendung aufgrund der tatsächlichen Machtverhältnisse wohl kaum zu befürchten waren (s. in A) II.) b) Die vorläufige Absicherung Caesars vor effektiven Nachstellungen durch die optimatischen Gegner), so daß schlichtweg keine Notwendigkeit dazu bestand. Da Sulla aber das reguläre Prokonsulat auf ein Jahr eingeschränkt hatte, ist es auch sehr unwahrscheinlich, daß das Jahr des Konsulats dabei mitgezählt wurde.129 Gelzer führt dagegen an, daß die Konsuln von 60, Q. Caecilius Metellus Celer und L. Afranius angesichts der Lage in Gallien auch während ihres Konsulats ihr Kommando über Gallien übertragen bekamen.130 Caesar erhielt aber durch die lex Vatinia lediglich Gallia cisalpina, das nicht an das „Freie Gallien“ angrenzte, so daß hier wohl nicht daran zu denken ist, daß er wegen der akuten Lage im Gallien jenseits der Alpen ausnahmsweise die Provinzen schon während seines Konsulats übernehmen konnte, zumal da es im Juni 60 anscheinend schon wieder eine allgemeine Entwarnung bezüglich der Lage in Gallien gegeben hatte.131 Deswegen hat es auch wenig Sinn anzunehmen, daß die lex Vatinia als Volksbeschluß gleichzeitig Caesar von der lex Cornelia befreite.132 Aber auch der Lösungsansatz von Drumann,133 der wegen der Trennung von Konsulat und Prokonsulat die in der lex Vatinia garantierte Statthalterschaft auf den Zeitraum vom 01.01.58 bis zum 29.12.54 ansetzte, beinhaltet wesentliche Schwierigkeiten. So ignoriert er einerseits den von Cicero belegten 01.03.54 vollkommen, andererseits würde aus ihm folgen, daß die Verlängerung des Prokonsulats bis zum 29.12.49 angedauert hätte, wodurch die Beschlußklausel zur Makulatur geworden und der Kampf um die Absetzung Caesars unverständlich geworden wäre.
Viele Historiker sind allerdings der Meinung, daß es keine dementsprechende Regelung in der lex Cornelia gab, sondern dies seit 80 lediglich eine allgemeine Konvention darstellte, zumal da keine antike Quelle diese Regelung als Gesetz erwähnt. Auch treten in Ciceros Rede in Pisonem, deren Adressat vor Ende seines Konsulats Rom verlassen hatte, keine entsprechenden Vorwürfe auf. Des weiteren scheinen manche Quellen in die Gegenrichtung zu weisen.134 So spricht Cicero von einem alten Recht der Konsuln, während ihrer Amtszeit jede beliebige Provinz zu betreten.135 Dies widerspricht jedoch der Beschränkung eines Promagistraten auf seine Provinz, so daß es hier um etwas anderes gehen muß als um die Übernahme der eigenen Provinz. Außerdem schrieb Cicero den betreffenden Brief Anfang März 49, als die Senatspartei aus Rom geflohen war und mit allen Institutionen der republikanischen Verfassung den Boden Italiens verließ. Deshalb gab es einen gewissen Bedarf, diesen Auszug aus Rom und das Wirken außerhalb des pomerium zu legitimieren, so daß Cicero hier auf eine alte Regelung der vorsullanischen Zeit zurückgegriffen haben könnte, als die Konsuln während ihrer Amtszeit überall Feldzüge führen konnten. Wenn er dieses Recht als mos maiorum bezeichnet, könnte dies somit auch heißen, daß er damit den Auszug der Konsuln aus Rom legitimieren möchte. In den Philippica stellt Cicero die Forderung, daß die Provinzen notwendigerweise unter der Jurisdiktion und unter dem imperium der Konsuln stehen.136 An dieser Stelle versucht er jedoch in einer rhetorischen Attacke gegen Antonius wiederum die Politik des Senats zu legitimieren. Außerdem spricht grundsätzlich nichts dagegen, daß die Konsuln als die höchsten Beamten des Staates grundsätzlich die Kompetenz hatten, bezüglich provinzieller Angelegenheiten Recht zu sprechen und Anordnungen zu erlassen bzw. solche von der Volksversammlung zu erwirken, also ihre zivile Oberhoheit im Rahmen existierender Gesetze auszuüben, so daß sich die lex Cornelia u.U. nur auf ein militärisches imperium beschränkte, das aber zur Verwaltung einer Provinz notwendig war.137 In seiner Rede de lege agraria erwähnt Cicero, daß einer der beiden Konsuln unter den gegebenen Verhältnissen nicht in seine Provinz gehen werde.138 Dies kann man aber auch so deuten, daß der Genannte nach Ablauf seines Konsulats vorerst lieber in der Nähe Roms bleiben möchte, bis sich die Verhältnisse geklärt haben, so daß er am Ort des Geschehens notfalls noch eingreifen kann bzw. daß er ganz auf sein Prokonsulat verzichten will, um an den Verhandlungen im Senat aktiv teilnehmen zu können.
Zudem ist es eindeutig belegt, daß auch nach 80 noch des öfteren amtierende Konsuln ins Feld auszogen.139 Aber diese Fälle muß man wahrscheinlich als Sonderfälle ansehen, in denen aufgrund der angespannten außenpolitischen Gesamtlage mangels besserer Lösung die Konsuln herangezogen wurden. Dabei dürfte der Senat diese zeitlich begrenzte Ausnahmelösung der damals vermehrt aufkommenden außerordentlichen Befehlsgewalt vorgezogen haben, die ja zu dem Konflikt zwischen Pompeius und dem Senat führen sollte, da eine einmal damit versehene Person den Rahmen der römischen Verfassung sprengen mußte.140 So zogen die Konsuln des Jahres 78 zu Kämpfen in Etrurien aus. Der Schauplatz der Schlachten lag jedoch damit in Italia, das sich außerhalb jeglicher Provinzialverwaltung, also nicht einmal im regulären Amtsbereich eines Promagistraten, befand, so daß die dortigen Kämpfe schon fast als innere Wirren angesehen werden mußten. Die Konsuln von 77 wurden für Spanien vorgeschlagen, das aber damals aufgrund des Sertoriusaufstandes als Notstands- bzw. Ausnahmegebiet anzusehen war,141 so daß außergewöhnliche Maßnahmen in diesem Falle nicht weiter stören können. Des weiteren wurde u.U. einer der Konsuln von 76, beide von 74,142 einer derjenigen von 73 und einer der beiden von 67143 in den Osten entsandt. Dieser Bereich war aber die ganze Zeit hindurch durch die Agitationen des Mithridates gefährdet, so daß schließlich Pompeius mit einem außerordentlichen imperium gegen diesen dorthin geschickt wurde. 63 zog schließlich C. Antonius gegen Manlius nach Etrurien aus. Dies hing damals aber, abgesehen davon, daß es sich um Italien handelte, das keine Provinz darstellte, mit der Bekämpfung des catilinarischen Heeres zusammen.144 So sagte schon Mommsen145 zu diesen Fällen: „Allein diese Ausnahmen bestätigen die Regel, denn sie tragen alle den Charakter der Ausserordentlichkeit an sich.“146
In dem Verlassen Roms durch Crassus im Jahre 55 muß man wohl eher eine Eigenmächtigkeit sehen, da er zu den Männern gehörte, die die römische Politik zu diesem Zeitpunkt unter Kontrolle hielten, während das dritte Konsulat des Pompeius von 52, bei dem er sein Heer und seine Provinzen behielt, als solches schon ein Ausnahmefall war, da er z.B. anfangs sine collega fungierte und eigentlich noch im Besitz eines außerordentlichen imperium war. Die Fälle danach fanden hingegen nach dem Ausbruch des Bürgerkrieges, in dem keine Normalität mehr eingehalten werden konnte und die res publica libera faktisch immer weniger Bestand hatte, statt. Auch gesteht Balsdon147 ein, daß die Heere damals unleugbar von Promagistraten angeführt wurden.
Des weiteren geht Balsdon davon aus, daß Konsuln und Prokonsuln vorzugsweise militärische Aufgaben hatten und zur Kriegsführung vorgesehen waren (Cic. Mur. 38), während Praetoren und Propraetoren für die Verwaltung zuständig waren. Dazu führt er auch an, daß während der spanischen Kriege 143-134 die dortigen Praetoren durch Konsuln ersetzt wurden. Aufgrund dieser Annahme bringt er gegen die Trennung von Magistrat und Promagistratur des weiteren vor, daß dann aufgrund der lex Sempronia fast zwei Jahre zwischen der Verteilung der Provinzen und dem Antritt der entsprechenden Statthalterschaften vergingen, während der sich neue Verhältnisse und damit neue Notwendigkeiten der Verteilung ergeben konnten.148 Nun kann diese Ersetzung der Praetoren durch Konsuln während der spanischen Kriege dadurch erklärt werden, daß die Provinzen mit potentiellen kriegerischen Auseinandersetzungen vorrangig mit höheren und damit im cursus honorum fortgeschritteneren Beamten, denen man durch diesen höheren Status mehr Erfahrung und Kompetenz zutraute, besetzt wurden, zumal da damals weder die lex Sempronia noch die lex Cornelia galten. Des weiteren kann in diesem Fall auch die persönliche Erfahrung der davon betroffenen Magistraten eine Rolle gespielt haben. Außerdem waren in größeren Krisensituationen, wie schon erwähnt wurde, auch nach 80 immer noch Ausnahmen von der Regel möglich, so daß im konkreten Falle immer noch geeignete Personen eingesetzt werden konnten. Schließlich konnte man – gleich, wann die Provinzialkommandos wirklich angetreten wurden – zu dem Zeitpunkt der Provinzvergabe gemäß der lex Sempronia nicht definitiv sicherstellen, wer die Begünstigten waren, so daß der Senat nicht nach den Persönlichkeiten der künftigen Statthalter der konsularischen Provinzen gehen konnte. Da aber die gerade amtierenden Konsuln entgegen Ciceros Idealbild (Mur. 38) nicht immer unbedingt für militärische Großaufgaben geeignet waren, war es aufgrund der Unbestimmtheit der wirklich betroffenen Personen unbedeutend, ob die Provinzen zwei oder ein Jahr vor dem eigentlichen Antritt der Statthalterschaft vergeben wurden.
In seiner Rede de provinciis consularibus bezieht sich Cicero bei seinem Einwand, daß bei einer sofortigen Vergabe der Provinzen die Konsuln zwei Monate lang ihrer Promagistratur beraubt würden,149 anscheinend auf die Konsuln von 55,150 während die Statthalterschaft gemäß der weitgehenden communis opinio zum 01.03.54 endete, so daß diese Passage für eine formale Trennung von Magistrat und Promagistratur zu stehen scheint. Laqueur151 hingegen deutet die Formulierung dieser Stelle dahingehend, daß ein Konsul zu seinem Amtsantritt seine Provinz nicht nur auf dem Papier, sondern realiter besitzen müsse, die sortitio einerseits absurdum sei, solange die Provinz nicht in den Besitz dessen, der das Los gezogen hat, gelangen kann, andererseits aber durchgeführt werden soll und daß er erst im März paludatus Rom verlassen könne. Daher setzt er den 01.03.55 als den Endtermin der lex Vatinia an und verneint dabei zugleich die Existenz der lex Cornelia. Allerdings läßt sich dieser Satz wohl ohne weiteres dahingehend interpretieren,152 daß Cicero davon ausging, daß ein Konsul ab dem 01.01. seiner Amtszeit eine Provinz explizit zugeteilt bekommen haben muß (decreta), während eine unverbindliche Zusage (desponsa) nicht ausreicht. Ohne diese verbindliche Zuteilung von Provinzen kann nicht über diese gelost werden, da ja die erloste Provinz nicht rechtsgültig zugesichert ist, so daß der Konsul sie auch nicht besitzt. Dabei ist aber unerheblich, ob er schon die Statthalterschaft dieser Provinz übernehmen kann oder ob er sie in dem Sinne besitzt, daß er sofort nach Ende seines Konsulates paludatus in sie aufbrechen kann. Aber auch nach dem Konsulat, in dem er ohne sichere Provinzzuteilung war, kann er dann bis zum 01.03. nicht sein Prokonsulat antreten. Daher ist die Interpretation von Laqueur sehr unverbindlich. Mit seinem Ansatz muß er bezüglich der fünf Jahre, von denen er ausgeht, zu dem Kompromiß greifen, daß die Statthalterschaft zwar nur bis zum 01.03.55 garantiert war, aber sein Nachfolger, einer der beiden Konsuln von 55, im Normalfall erst nach Beendigung seines Konsulats am 01.01.54 nach Gallien aufgebrochen wäre, so daß Caesars Statthalterschaft dann fünf Jahre gedauert hätte, wobei das Jahr des Konsulats vollständig mit dazuzählte.153 Bei einem möglichen Ende zum 01.03.55 wären dann aber im schlimmsten Falle, nämlich indem Caesar erst nach seinem Konsulat in seine Provinz aufgebrochen und wenn sein Nachfolger schon zum erstmöglichen Termin hingereist wäre, aus den fünf Jahren gerade mal drei Jahre und zwei Monate geworden. Obwohl Caesar bei dieser Konstruktion gerade mal drei Kriegssaisons garantiert gewesen wären, während die vierte schon von der Gnade anderer abgehangen hätte, hatte er jedoch keine Eile in seine Provinz zu gelangen, sondern seine Abreise nach Gallien wurde im März 58 durch die dortigen Ereignisse sogar noch beschleunigt (s. A) III.) a) Der Gallische Krieg, seine Rechtmäßigkeit und seine politischen Auswirkungen). Schließlich kommt es bei Laqueur zu der absurd anmutenden Konsequenz, daß nach der Ratifizierung der lex Pompeia de provinciis154 im Jahre 52 dem Konsul zuerst während seines Konsulats eine Provinz zustand, er dann aber nach Ende seines Konsulats nicht in diese Provinz aufbrechen durfte, da ihm erst wieder nach einer Pause von fünf Jahren eine ihm speziell hierfür zugeteilte Provinz zustand.155
Aufgrund der Tatsache, daß die lex Cornelia mit einer sehr hohen Wahrscheinlichkeit die Trennung von Magistrat und Promagistratur sanktionierte, wird auch die Theorie von Balsdon,156 daß Provinzen nicht für in Anfang und Ende genau datierte Zeitperioden, sondern im Normalfall von einem Verteilungsbeschluß bis zum nächsten vergeben wurden, hinfällig, da ja aufgrund der Trennung von Magistrat und Promagistratur das Prokonsulat erst zum 01.01. beginnen konnte und mindestens bis einschließlich 29.12. dauern mußte.
Cicero schreibt Ende April oder Anfang Mai 59 über einen exercitus Caesaris.157 Gelzer158 sieht in diesem Ausdruck die durch das Ackergesetz Begünstigten, da diese durch dieses Gesetz Caesar als Antragsteller verpflichtet seien. Meier meint dagegen, daß mit diesem Ausdruck kaum Schlägertruppen Caesars gemeint sein können, die aus den Begünstigten der Ackergesetze bestehen. Denn abgesehen von ihrer gemäß Cicero zu geringen Anzahl, was aber eine rein propagandistische Feststellung sein könnte, standen diese üblicherweise in keiner direkten Verbindung zum Antragsteller des Gesetzes, sondern waren hauptsächlich mit den Ausführenden des Gesetzes verbunden, zu denen Caesar ja nicht gehörte. Die Truppen, die zur Durchsetzung dieses Gesetzes verhalfen, bestanden dagegen aus Veteranen des Pompeius (Plut. Pomp. 48,1 (s. A) II.) a) Caesars Verhalten und Amtsführung während seines ersten Konsulats, n. 23) & Caes. 14,3 & 6 & Luc. 42,6) und können damit nicht als die Caesars bezeichnet werden. Dieser Ausdruck des exercitus Caesaris ist jedoch mit einem Verb im Futur verbunden, so daß es auf ein künftiges Heer Caesars in Gallien verweisen kann.159 Daher muß sich dieser Ausdruck Ciceros nicht notwendigerweise auf ein aktuelles und reguläres stehendes Heer Caesars im eigentlichen Sinne beziehen, so daß dieser Ausdruck nicht mit der Annahme konkurriert, daß die Statthalterschaft Caesars erst nach seinem Konsulat begann.
Nun ergibt sich bei einer fünfjährigen Rückrechnung vom 01.03.50 her auch eine einjährige Überschneidung zwischen der Gültigkeitsdauer der lex Vatinia und der der lex Pompeia Licinia, so daß die Gültigkeit des ersten Gesetzes um ein Jahr verkürzt worden wäre, was aber nicht gerade zu Caesar paßt.160 Andererseits kann man aber auch annehmen, daß Caesar die Gelegenheit des Konsulats seiner politischen Verbündeten zwecks der Verlängerung seiner Statthalterschaft wahrnehmen mußte, auch wenn es dabei zu zeitlichen Überschneidungen kam, wobei wiederum die Frage aufkommt, warum die in der lex Pompeia Licinia enthaltene Verlängerung unbedingt im Jahr ihrer Ratifizierung anlaufen mußte. Des weiteren war die Statthalterschaft über Gallia transalpina bis zum Beginn der in der lex Pompeia Licinia verankerten Zeitspanne nur durch ein senatus consultum garantiert und konnte somit zumindest zwischen dem Ende des Konsulats von Pompeius und Crassus und dem Beginn der zweiten Periode theoretisch Caesar entzogen werden.161 Aber selbst der Caesar am feindlichsten gesonnene Senat hätte einsehen müssen, daß die Einsetzung eines anderen Statthalters für gerade einmal zwei bzw. – bei Interkalation – drei Monate in dieser Provinz nur Unruhe gestiftet und eine Schwächung der neu begründeten und immer noch recht labilen römischen Macht vor Ort bedeutet hätte, zumal da sich Mitte der 50er Jahre noch keine caesarfeindlichen Beschlüsse durchsetzen konnten (s. in A) III.) a) Der Gallische Krieg, seine Rechtmäßigkeit und seine politischen Auswirkungen).
Gelzer162 schlug zur Bereinigung dieser beiden Schwierigkeiten, daß nämlich bei einer fünfjährigen Rückrechnung auf Basis der uns bekannten Daten die Gültigkeitsdauer der lex Vatinia ins Konsulat Caesars hineinreichen und die der lex Pompeia Licinia sich mit der des ersten Gesetzes überschneiden würde, vor, daß beide Gesetze jeweils die Kalendae Martiae quintae als den Stichtag zur Ablösung Caesars als Statthalter nannten. Beim zweiten Gesetz kann dann z.B. aufgrund analoger Formulierungen in anderen Fällen, wie bei der lex Titia de IIIviris reipublicae constituendae,163 die 43 das „2.“ Triumvirat konstituierte und die Formulierung ad pr. k. Ian. sext. enthielt,164 folgende Formulierung als möglicherweise in diesem Gesetz enthaltene hergeleitet werden: Post hanc legem rogatam ne quis magistratus ante Kalendas Martias quintas de Galliis provinciis referto neve decerni sinito. Dabei fällt es kaum ins Gewicht, daß der 01.03.54 zweimal gezählt wird.165 Die Aussagen über ein zehnjähriges imperium Caesars (Cic. Att. 7,7,6 & 7,9,4) wären dann durch die Addition der zwei quinquennia erklärbar, die wiederum die Kalendae Martiae quintae kurz wiedergeben sollen, wobei die zweite Stelle nur den Umstand nennt, daß Caesar dann im Jahre 49 seine Provinz nahezu zehn Jahre lang kontrollierte bzw. daß die Provinz seit ihrer Festlegung durch die lex Vatinia zehn Jahre lang von der allgemeinen Vergabepolitik ausgeschlossen war.166
Der Begriff des quinquennium bzw. der direkt parallel dazu benutzte der πενταετία beziehen sich aber auch nicht unbedingt immer auf genau fünf Jahre, sondern werden nach Ansicht mancher Forscher auch für einen Zeitraum von z.B. vier Jahren verwendet. So wurde quinquennium oft mit quintus quisque annus umschrieben,167 und z.B. Feste, die alle vier Jahre stattfanden, wurden ebenfalls als quinquennale Feiern bezeichnet.168 Dadurch kann man ohne weiteres die Gültigkeit der lex Vatinia auf den Zeitraum vom 01.01.58 bis ausschließlich 01.03.54 und die der lex Pompeia Licinia auf den vom 01.03.54 bis ausschließlich 01.03.50 ansetzen, zumal da ja der 01.03.54 und der 01.03.50 in diesem Zusammenhang durch Zitate belegte Daten sind. Außerdem besaß Caesar schon im Januar 58 ein imperium,169 während nach Appian170 konsularisches und prokonsularisches imperium voneinander getrennt waren, so daß das Prokonsulat schon dort angefangen haben mußte.171 Schließlich verwendet Plutarch bezüglich der Verlängerung der Statthalterschaft des Pompeius um ein weiteres quinquennium (Plut. Caes. 28,5 & App. civ. 2,24,92 & Dio 40,44,2 & 40,56,2) die Formulierung ἄλλη τετραετία,172 so daß es sich um einen zweiten Vierjahreszeitraum handeln mußte. Auch hätte Pompeius dann bei einem zweiten Konsulat Caesars im Jahre 48 wie dieser Ende 47 sein Amt als Prokonsul niederlegen müssen, was erneut ein Machtgleichgewicht bedeutet hätte.173 Durch diese Deutung des quinquennium spricht nun auch die Formulierung des prorogare imperium (in quinquennium) bzw. des ἐπιψηφίζειν ἄλλην πενταετίαν nicht mehr gegen den Tag vor dem 01.03.50 als Endtermin der Statthalterschaft Caesars.
Anmerkungen:
127 Gesche (1973), pp. 185-189.
128 Birnbacher (1916), p. III.
129 Gesche (1973), p. 188.
130 Atque in re publica nunc quidem maxime Gallici belli versatur metus. Nam Haedui, fratres nostri, pugnam nuper malam pugnarunt et <Helvetii> sine dubio sunt in armis excursionesque in provinciam faciunt. Senatus decrevit ut consules duas Gallias sortirentur, dilectus haberetur, vacationes ne valerent, legati cum auctoritate mitterentur qui adirent Galliae civitates darentque operam, ne eae se cum Helvetiis coniungerent. (Cic. Att. 1,19,2 (15.03.60)); s.a. Gelzer (1960), p. 77.
131 Sealey (1957), p. 80.
132 s. Mommsen (1857), p. 31 bzw. (1965), p. 120.
133 Drumann / Groebe (1906), pp. 219-220.
134 Balsdon (1939), pp. 58-60; s.a. Hofmann (1857), p. 7 („At illo ipso anno, quo in urbe magistratum gerebant, consules vacuas provincias habere oportuit, ne si exire ipsis placeret impedirentur.“); Laqueur (1920), pp. 245-246; Sealey (1957), p. 77; Giovannini (1983), pp. 75-77.
135 ...ipsi consules, quibus more maiorum concessum est vel omnis adire provincias, aut legati sunt eorum. (Cic. Att. 8,15,3).
136 Omnes enim in consulis iure et imperio debent esse provinciae. (Cic. Phil. 4,9); s.a. Giovannini (1983), pp. 95-96.
137 s. Mommsen (1857), p. 33 bzw. (1965), pp. 121-122.
138 Dicit frequentissimo senatu consul Kalendis Ianuariis sese, si status hic rei publicae maneat neque aliquod negotium exstiterit, quod honeste subterfugere non possit, in provinciam non iturum. (Cic. leg. agr. 1,26).
139 Balsdon (1939), pp. 61-62 (die nachfolgenden Beispiele wurden ebenfalls daraus entnommen); s.a. Laqueur (1920), pp. 245-246; Sealey (1957), p. 77; Giovannini (1983), pp. 83-89.
140 s. A) I.) Die politische Ausschaltung des Pompeius nach der Rückkehr von seinem Asienfeldzug.
141 Consulibus Sertorianum bellum detrectantibus... (Schol. Gronov. p. 322 St.).
142 Ad quod bellum duobus consulibus [sc. L. Licinio Lucullo, M. Aurelio Cotta] ita missis ut alter Mithridaten persequeretur, alter Bithyniam tueretur... (Cic. Mur. 33); s.a. Cic. Acad. pr. 2,1,1 & Vell. 2,33,1 & Liv. epit. 93-94 & Eutrop. 6,6 & App. Mithr. 71,299 & 72,305.
143 ...legiones Valerianae comperto lege Gabinia Bythiniam et Pontum consuli datam esse, sese missos esse. (Sall. hist. 5,13 M.).
144 Praeterea decernit uti consules dilectum habeant, Antonius cum exercitu Catilinam persequi maturet, Cicero urbi praesidio sit. (Sall. Cat. 36,3); s.a. Dio 37,33,3.
145 Mommsen (1857), p. 31 bzw. (1965), p. 120 (zitiert nach der Ausgabe von 1965).
146 Hierin mag wohl auch der Grund liegen, warum wir für die Konsulate von 80 bis 53 außer für C. Iulius Caesar keine positiven Belege von Konsuln besitzen, die erst nach ihrem Amtsjahr in die Provinz aufbrachen, wenn sie nicht vollkommen auf ihre Provinzen verzichteten (Giovannini (1983), pp. 89-90), da dies eben nicht einer besonderen Erwähnung wert war.
147 Balsdon (1939), p. 60.
148 Balsdon (1939), p. 64 c. n. 52.
149 Quamquam mihi nihil videtur alienus a dignitate disciplinaque maiorum, quam ut, qui consul Kalendis Ianuariis habere provinciam debet, is ut eam desponsam, non decretam habere videatur. Fuerit toto in consulatu sine provincia, cui fuerit, antequam designatus est, decreta provincia. Sortietur an non? Nam et non sortiri absurdum est et, quod sortitus sis, non habere. Proficiscetur paludatus? Quo? Quo pervenire ante certam diem non licebit. Ianuario, Februario provinciam non habebit; Kalendis ei denique Martiis nascetur repente provincia. (Cic. prov. 37).
150 Sealey (1957), p. 79.
151 Laqueur (1920), pp. 241-247 passim.
152 s. Holmes (1923), Bd. II, p. 300 n. 5.
153 Laqueur (1920), p. 247.
154 s. B) II.) b) 1.) Die lex Pompeia de provinciis.
155 Laqueur (1921), p. 237 in logischer Verknüpfung mit p. 237 n. 1.
156 Balsdon (1939), pp. 68-71.
157 „Oppressos vos“ inquit „tenebo exercitu Caesaris.“ (Cic. Att. 2,16,2).
158 Gelzer (1960), p. 73.
159 Meier (1961), pp. 79-83.
160 Gesche (1973), pp. 191-192.
161 Adcock (1962), pp. 616-617; s.a. Stone (1928), p. 193; Stockton (1975), p. 233.
162 Gelzer (1963), pp. 215-217.
163 s. Rotondi (1912), pp. 434-435.
164 CIL2 I,1 p. 64.
165 Gesche (1973), p. 194.
166 s. Perpillou (1928), p. 275.
167 Lustrum nominatum tempus quinquennale a luendo, id est solvendo, quod quinto quoque anno vectigalia et ultro tributa per censores persolvebantur. (Varro ling. 6,11); s.a. Cens. de die nat. 18,4.
168 ...ex quibus Eleus Hippias cum Olympiam venisset maxima illa quinquennali celebritate ludorum... (Cic. de orat. 3,127); s.a. Suet. Nero 12,3 & Dom. 4,4 & Dio 51,19,2 & Ov. Pont. 4,6,5 & Stat. silv. 4,2,62 & 5,3,113 & Cens. de die nat. 18,12.
169 Ipse autem Caesar, quem maxime homines ignari veritatis mihi esse iratum putabant, erat ad portas, erat cum imperio; erat in Italia eius exercitus... (Cic. Sest. 41); s.a. Cic. p. red. in sen. 32.
170 ...τὴν ἀρχὴν ἀποθέμενος ἐπὶ τὴν ἑτέραν εὐθὺς ἐξῄει· (App. civ. 2,15,54).
171 Gesche (1973), pp. 194-200; s.a. Balsdon (1939), p. 71.
172 Ἐψηφίσθη δὲ αὐτῷ τὰς ἐπαρχίας ἔχειν εἰς ἄλλην τετραετίαν. (Plut. Pomp. 55,7; Hervorhebung durch den Verfasser dieser Arbeit).
173 Gesche (1973), pp. 204-206; s. dgg. Bringmann (1978), pp. 346-347.